Zauber der Schlange
weitgehend verschwunden. »Sollten wir uns nicht allmählich darum kümmern, wo wir die Nacht verbringen, Vater?« meinte Tante Pol.
Meister Wolf kratzte nachdenklich seinen Bart, während er einen Blick auf die Schatten zwischen den Bäumen warf.
»Ich habe einen Onkel, der nicht weit von hier wohnt«, bot Lelldorin an. »Graf Reldegen. Ich bin sicher, er wird sich freuen, uns zu beherbergen.«
»Dünn?« fragte Meister Wolf. »Dunkles Haar?«
»Jetzt ist es grau«, antwortete Lelldorin. »Kennst du ihn?«
»Ich habe ihn seit zwanzig Jahren nicht gesehen«, sagte Wolf. »Wenn ich mich recht erinnere, war er ein ziemlicher Hitzkopf.«
»Onkel Reldegen? Du mußt ihn mit jemandem verwechseln, Belgarath.«
»Vielleicht«, sagte Wolf. »Wie weit ist es bis zu seinem Haus?«
»Nicht mehr als vier Meilen.«
»Dann wollen wir ihn aufsuchen«, entschied Wolf.
Lelldorin zog an seinen Zügeln und setzte sich an die Spitze des kleinen Zuges, um den Weg zu zeigen.
»Wie kommst du mit deinem Freund zurecht?« fragte Silk und gesellte sich zu Garion.
»Ganz gut«, antwortete Garion, der nicht genau wußte, wie der rattengesichtige kleine Mann die Frage meinte. »Es scheint allerdings etwas schwierig zu sein, ihm Dinge zu erklären.«
»Das ist nur natürlich«, meinte Silk. »Schließlich ist er Arendier.«
Rasch schwang Garion sich zu Lelldorins Verteidigung auf. »Er ist ehrlich und sehr tapfer.«
»Das sind sie alle. Das ist ein Teil des Problems.«
»Ich mag ihn«, verkündete Garion.
»Ich auch, Garion, aber deswegen erkenne ich trotzdem die Wahrheit über ihn.«
»Wenn du versuchst, mir etwas zu sagen, warum tust du das nicht einfach?«
»Also gut. Verliere nicht vor lauter Freundschaft den Verstand. Arendien ist ein sehr gefährliches Land, und Arendier neigen dazu, regelmäßig in Katastrophen hineinzustolpern. Laß nicht zu, daß dein überschwenglicher junger Gefährte dich in Dinge hineinzieht, die dich nichts angehen.« Silk sah ihm direkt in die Augen, und Garion stellte fest, wie ernst der kleine Mann das meinte.
»Ich werde vorsichtig sein«, versprach er.
»Ich wußte, daß ich auf dich zählen kann«, sagte Silk.
»Machst du dich über mich lustig?«
»Würde ich das je tun, Garion?« fragte Silk spöttisch, dann lachte er, und sie ritten zusammen weiter durch den düsteren Nachmittag.
Das graue Steinhaus, in dem Graf Reldegen lebte, lag etwa eine Meile abseits der Straße im Wald. Es stand inmitten einer Lichtung, die sich in alle Richtungen weiter als einen Bogenschuß erstreckte. Die nach außen blickenden Fenster waren schmal und mit Eisengittern versehen. Starke Türme mit Brustwehren standen an jeder Ecke, und das Tor, das den Innenhof des Hauses abschloß, war aus ganzen Baumstämmen, die viereckig behauen und mit Eisenbändern zusammengehalten waren. Garion starrte das düstere Gebäude an, als sie sich ihm in dem rasch schwindenden Tageslicht näherten. Eine Art hochmütiger Häßlichkeit lag um das Haus, eine grimmige Festigkeit, die der Welt zu trotzen schien. »Es ist kein sehr gemütliches Fleckchen, nicht wahr?« sagte er zu Silk.
»Asturische Architektur ist ein Spiegelbild ihrer Gesellschaft«, antwortete Silk. »Ein solides Haus ist keine schlechte Idee in einem Land, in dem nachbarschaftliche Meinungsverschiedenheiten manchmal außer Kontrolle geraten.«
»Haben sie alle so viel Angst voreinander?«
»Sie sind nur vorsichtig, Garion. Nur vorsichtig.«
Lelldorin stieg vor dem schweren Tor ab und sprach durch ein kleines Gitter mit jemandem auf der anderen Seite. Schließlich rasselten Ketten, und mit einem Knirschen glitten die schweren, von Eisenbändern gehaltenen Flügel zurück.
»Ich würde keine hastigen Bewegungen machen, wenn wir drin sind«, riet Silk leise. »Wahrscheinlich werden wir von Bogenschützen beobachtet.«
Garion sah ihn scharf an.
»Ein altmodischer Brauch hier in der Gegend«, erklärte Silk.
Sie ritten in einen kopfsteingepflasterten Hof und stiegen ab. Graf Reldegen war ein großer dünner Mann mit eisengrauem Haar und Bart, der sich beim Gehen auf einen kräftigen Stock stützte. Er trug eine reichverzierte grüne Weste und eine schwarze Hose. Trotz der Tatsache, daß er sich in seinem eigenen Hause befand, trug er ein Schwert am Gürtel. Er hinkte mühsam eine breite Treppe herunter, um sie zu begrüßen.
»Onkel«, sagte Lelldorin und verbeugte sich respektvoll.
»Neffe«, antwortete der Graf höflich.
»Meine Freunde und ich waren in
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