Zauber der Schlange
der Gegend«, sagte Lelldorin, »und wir dachten, wir könnten dich vielleicht um ein Nachtquartier bitten.«
»Du bist immer willkommen, Neffe«, erwiderte Reldegen mit ernster Förmlichkeit. »Habt ihr schon gegessen?«
»Nein, Onkel.«
»Dann müßt ihr alle mit mir zu Abend essen. Würdest du mir deine Freunde vorstellen?«
Meister Wolf zog seine Kapuze ab und trat vor. »Du und ich, wir kennen uns bereits, Reldegen«, sagte er.
Die Augen des Grafen wurden groß. »Belgarath? Bist du es wirklich?«
Wolf grinste. »O ja. Ich wandere immer noch durch die Welt und stöbere Unheil auf.«
Dann lachte Reldegen und nahm Wolf herzlich beim Arm. »Kommt alle hinein. Wir wollen nicht in der Kälte herumstehen.« Er drehte sich um und hinkte wieder die Stufen zum Haus hinauf.
»Was ist mit deinem Bein geschehen?« fragte Wolf.
»Man hat mir mal einen Pfeil ins Knie geschossen.« Der Graf zuckte die Achseln. »Das Ergebnis einer alten Mißstimmigkeit – schon längst vergessen.«
»Wenn ich mich recht erinnere, warst du immer in solche Angelegenheiten verwickelt. Eine Zeitlang habe ich geglaubt, daß du mit halbgezogenem Schwert durchs Leben gehen wolltest.«
»Ich war in meiner Jugend sehr reizbar«, gab der Graf zu und öffnete die breite Tür am oberen Ende der Treppe. Er führte sie durch einen langen Gang in einen Raum von eindrucksvoller Größe mit großen flackernden Kaminfeuern an zwei gegenüberliegenden Wänden. Mächtige steinerne Bögen trugen die Decke. Der Fußboden bestand aus poliertem schwarzem Stein, der mit Fellteppichen bedeckt war, und die Wände, Stützbögen sowie die Decke waren in schimmerndem Kontrast dazu weiß getüncht. Schwere geschnitzte Stühle aus dunklem Holz befanden sich hier und dort, und ein großer Tisch mit einem eisernen Kandelaber in der Mitte stand in der Nähe des Kamins.
Etwa ein Dutzend ledergebundener Bücher lagen ebenfalls auf dem Tisch.
»Bücher, Reldegen?« fragte Wolf erstaunt, während er und die anderen ihre Umhänge ablegten und sie den Dienern übergaben, die sofort herbeigeeilt waren. »Du hast dich wirklich verändert, mein Freund.«
Der Graf lächelte über die Bemerkung des alten Mannes.
»Ich vergesse meine guten Manieren«, entschuldigte sich Wolf. »Meine Tochter, Polgara. Pol, dies ist Graf Reldegen, ein alter Freund.«
»Meine Dame«, grüßte der Graf mit einer vollendeten Verbeugung, »Ihr ehrt mein Haus durch Eure Anwesenheit.«
Tante Pol wollte gerade antworten, als zwei junge Männer, die sich heftig stritten, in den Raum stürmten. »Du bist ein Idiot, Berentain!« rief der erste, ein dunkelhaariger Bursche in roter Weste.
»Vielleicht gefällt es Euch, so zu denken, Torasin«, antwortete der zweite, ein kräftiger junger Mann mit hellem, lockigem Haar in grüngelb gestreifter Tunika, »aber ob es Euch gefällt oder nicht, Asturiens Zukunft liegt in mimbratischen Händen. Eure böswilligen Beschuldigungen und spöttischen Reden werden das auch nicht ändern.«
»Hör auf mit dem blöden ›Ihre‹ und ›Eure‹, Berentain«, spottete der Dunkelhaarige. »Deine Nachahmung mimbratischer Höflichkeit dreht mir den Magen um.«
»Meine Herren, das reicht!« sagte Graf Reldegen scharf und klopfte mit seinem Stock auf den Boden. »Wenn ihr zwei darauf besteht, weiter über Politik zu diskutieren, lasse ich euch trennen – gewaltsam, wenn nötig.«
Die beiden jungen Männer sahen sich zornfunkelnd an und stolzierten dann in entgegengesetzte Ecken des Raumes.
»Mein Sohn, Torasin«, erklärte der Graf entschuldigend und deutete auf den dunkelhaarigen jungen Mann, »und sein Vetter Berentain, der Sohn des Bruders meiner verstorbenen Frau. Sie streiten sich schon seit zwei Wochen so. Ich mußte ihnen an dem Tag, als Berentain ankam, die Schwerter abnehmen.«
»Politische Diskussionen sind gut für den Kreislauf, Graf«, stellte Silk fest, »vor allem im Winter. Wegen der Hitze können die Adern nicht verstopfen.«
Der Graf kicherte über diese Bemerkung des kleinen Mannes.
»Prinz Kheldar aus dem Königshaus von Drasnien«, stellte Meister Wolf Silk vor.
»Eure Hoheit«, antwortete der Graf mit einer Verbeugung.
Silk zuckte zusammen. »Bitte, Graf. Ich habe mein Leben damit verbracht, vor dieser Anrede zu fliehen, und ich bin sicher, meine Verbindung zum Königshaus ist meinem Onkel genauso peinlich wie mir.«
Der Graf lachte wiederum gutmütig. »Warum setzen wir uns nicht zu Tisch?« schlug er vor. »Seit dem Morgengrauen drehen
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