Zauber der Schlange
»Es würde sehr merkwürdig aussehen, wenn er in Delvors Zelt bliebe.«
»Ich verstehe«, sagte Wolf.
»Wir möchten doch nicht unsere Tarnung aufs Spiel setzen, oder?« fragte Silk unschuldig.
Wolf gab nach. »Also schön. Aber treibe es nicht zu bunt. Ich möchte auch nicht, daß eine Horde aufgebrachter Kunden morgen früh vor dem Zelt steht und nach deinem Kopf verlangt.«
Delvors Träger brachten das Gepäck von den Packpferden, und einer von ihnen zeigte Hettar den Weg zu den Pferdekoppeln am Rande des Marktes. Silk begann, in den Bündeln herumzusuchen. Eine Unzahl kleiner, kostspieliger Gegenstände türmte sich auf Delvors Teppich auf, als Silks flinke Finger in die Winkel und Falten des Wolltuchs glitten.
»Ich habe mich schon gewundert, weshalb du in Camaar so viel Geld brauchtest«, kommentierte Wolf trocken.
»Gehört zur Tarnung«, antwortete Silk. »Radek hat immer ein paar Raritäten bei sich, um unterwegs handeln zu können.«
»Eine sehr zweckdienliche Erklärung«, meinte Barak, »aber ich würde es nicht auf die Spitze treiben, wenn ich du wäre.«
»Wenn ich das Geld unseres alten Freundes nicht innerhalb der nächsten Stunde verdoppeln kann, ziehe ich mich aus dem Geschäftsleben zurück«, versprach Silk. »Oh, das hätte ich fast vergessen. Ich brauche Garion. Er soll für mich den Träger spielen. Radek hat immer mindestens einen Träger.«
»Bemüh dich, ihn nicht allzusehr zu verderben«, meinte Tante Pol.
Silk verbeugte sich übertrieben und setzte sich seine schwarze Samtkappe keck auf. Mit Garion hinter sich, der einen Sack mit Schätzen trug, stolzierte er hinaus auf den großen Arendischen Markt, wie ein Mann, der in die Schlacht zieht.
Drei Zelte weiter erwies sich ein dicker Tolnedrer als hartnäckig und konnte Silk einen juwelenbesetzten Dolch nur für das Dreifache dessen, was er wert war, abringen. Aber zwei arendische Händler kauften nacheinander zwei identische Silberbecher zu Preisen, die zwar stark voneinander abwichen, aber diesen Rückschlag mehr als wettmachten. »Ich liebe es, mit Arendiern zu handeln«, meinte Silk schadenfroh, während sie weiter durch die schmutzigen Straßen zwischen den Zelten gingen.
Der listige kleine Drasnier zog über den Markt und hatte dabei verheerenden Erfolg. Wenn er nicht verkaufen konnte, kaufte er; wenn er nicht kaufen konnte, feilschte er; und wenn er nicht feilschen konnte, schnappte er Tratsch und Informationen auf. Einige der Kaufleute, die gewitzter waren als ihre Kollegen, sahen ihn kommen und versteckten sich prompt vor ihm. Garion wurde mitgerissen von der Faszination dieses Spiels, wo der Gewinn zweitrangig war gegenüber der Genugtuung, einen Gegner zu übervorteilen.
Dennoch waren Silks Raubzüge sehr ökonomisch. Er war bereit, mit jedem zu handeln. Er schlug alle mit ihren eigenen Waffen. Tolnedrer, Arendier, Chereker, andere Drasnier, Sendarer – alle mußten sich vor ihm geschlagen geben. Am Nachmittag waren sie alles, was er in Camaar gekauft hatte, losgeworden. Seine volle Börse klimperte, und der Sack auf Garions Schulter war noch genauso schwer wie zu Beginn, enthielt jetzt doch völlig andere Waren.
Silk runzelte trotzdem die Stirn. Er spielte mit einem kleinen, wunderbar geblasenen Glasfläschchen. Bei einem Rivaner hatte er zwei in Elfenbein gebundene Bücher mit wacitischer Lyrik gegen die kleine Flasche Parfüm eingetauscht. »Was hast du?« fragte ihn Garion, als sie zu Delvors Zelt zurückgingen.
»Ich bin mir nicht sicher, wer dabei gewonnen hat«, sagte Silk knapp.
»Wie bitte?«
»Ich habe nicht die geringste Ahnung, was das hier wert ist.«
»Warum hast du es dann genommen?«
»Ich wollte ihn nicht wissen lassen, daß ich den Wert nicht kenne.«
»Verkauf es doch jemand anders.«
»Wie kann ich es verkaufen, wenn ich nicht weiß, was ich dafür verlangen soll? Wenn ich zuviel verlange, wird niemand mit mir handeln wollen, verlange ich zuwenig, lacht man mich auf dem ganzen Markt aus.«
Garion kicherte.
»Ich finde das nicht besonders lustig, Garion«, sagte Silk empfindlich. Er blieb verstimmt und gereizt, auch als sie das Zelt wieder betraten. »Hier ist der Gewinn, den ich dir versprochen habe«, sagte er etwas ungnädig zu Meister Wolf, während er ihm die Münzen in die Hand zählte.
»Was bekümmert dich?« fragte Wolf und betrachtete die verdrießliche Miene des kleinen Mannes.
»Nichts«, antwortete Silk kurz angebunden. Dann sah er zu Tante Pol hinüber, und plötzlich
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