Zauber der Schlange
beiden trödelten, bis Hettar und Garion sie eingeholt hatten. Lange Zeit ritten sie so zusammen.
»Es liegt in unserer Natur«, sagte der Ritter in der schimmernden Rüstung melancholisch. »Wir sind zu stolz, und unser Stolz ist es, der unser armes Arendien zum Vernichtungskrieg verdammt.«
»Dem kann abgeholfen werden«, sagte Meister Wolf.
»Wie?« fragte Mandorallen. »Es liegt in unserem Blut. Ich selbst bin der friedlichste Mensch, aber auch ich bin unserer Volkskrankheit unterworfen. Und darüber hinaus, die Spaltung ist zu tief, zu sehr eingegraben in unsere Geschichte und in unseren Seelen, als daß sie weggewischt werden könnte. Der Frieden wird nicht von Dauer sein, mein Freund. Selbst jetzt schwirren asturische Pfeile durch den Wald und suchen mimbrische Ziele. Als Vergeltung dafür läßt Mimbre asturische Häuser in Flammen aufgehen und metzelt Menschen nieder. Ich fürchte, ein Krieg ist unausweichlich.«
»Nein«, widersprach Wolf, »das ist er nicht.«
»Wie kann er verhindert werden?« fragte Mandorallen. »Wer kann uns von unserem Wahn heilen?«
»Ich, wenn ich muß«, sagte Wolf gelassen und zog seine graue Kapuze ab.
Mandorallen lächelte gequält. »Ich schätze Eure guten Absichten, Belgarath, aber das ist unmöglich, selbst für Euch.«
»Nichts ist wirklich unmöglich, Mandorallen«, antwortete Wolf nüchtern. »Ich ziehe es meist vor, mich nicht in das Vergnügen anderer Leute einzumischen, aber ich kann es mir nicht leisten, daß Arendien gerade jetzt in Flammen aufgeht. Wenn es sein muß, werde ich dazwischentreten und weiteren Torheiten Einhalt gebieten.«
»Habt Ihr wirklich solche Macht?« fragte Mandorallen leicht zweifelnd, als könnte er das nicht recht glauben.
»Ja«, erwiderte Wolf prosaisch und kratzte seinen kurzen, weißen Bart, »das habe ich in der Tat.«
Mandorallens Gesicht umwölkte sich, er schien sogar etwas eingeschüchtert von der ruhigen Behauptung des alten Mannes. Garion fand die Erklärung seines Großvaters ausgesprochen beunruhigend. Wenn Wolf tatsächlich mit einer Hand einen Krieg beenden konnte, hätte er auch keinerlei Schwierigkeiten, Garions eigene Rachepläne zu durchkreuzen. Darüber mußte man sich auch noch Gedanken machen.
Dann kam Silk zu ihnen zurückgeritten. »Der Große Markt liegt direkt vor uns«, verkündete der rattengesichtige Mann. »Sollen wir anhalten oder lieber daran vorbeireiten?«
»Wir können genausogut haltmachen«, entschied Wolf. »Es ist fast Abend, und wir brauchen neue Vorräte.«
»Die Pferde könnten auch eine Rast gebrauchen«, sagte Hettar. »Sie fangen an, sich zu beklagen.«
»Das hättest du mir sagen sollen«, meinte Wolf und blickte auf die Packpferde zurück.
»Sie sind noch nicht in wirklich schlechter Verfassung«, erklärte Hettar, »aber sie bemitleiden sich allmählich. Sie übertreiben natürlich, aber eine kleine Rast kann ihnen nicht schaden.«
»Übertreiben?« Silk klang schockiert. »Du meinst doch nicht, daß Pferde tatsächlich lügen können, oder?«
Hettar zuckte die Achseln. »Doch natürlich. Sie lügen ständig. Sie sind sehr gut darin.«
Einen Augenblick lang rang Silk bei diesem Gedanken mit seiner Fassung, dann lachte er plötzlich. »Irgendwie stellt das meinen Glauben an die Ordnung des Universums wieder her«, sagte er.
Wolf sah ihn schmerzlich berührt an. »Silk«, sagte er mit Nachdruck, »du bist ein sehr böser Mann. Wußtest du das?«
»Man tut sein Bestes«, antwortete Silk spöttisch.
Der Arendische Markt lag am Schnittpunkt der Großen West-Straße und des Gebirgspfades, der aus Ulgo herunterführte. Er bestand aus einer ausgedehnten Ansammlung blauer, roter und gelber Zelte und breitgestreifter Pavillons, die sich etwa drei Meilen in jede Richtung erstreckte. Es wirkte wie eine leuchtend bunte Stadt mitten auf der graubraunen Ebene, und die bunten Wimpel knatterten fröhlich im ewigen Wind unter einem tiefhängenden Himmel.
»Ich hoffe, ich werde Gelegenheit haben, einige Geschäfte zu tätigen«, sagte Silk, während sie auf den Markt zuritten. Die spitze Nase des kleinen Mannes zuckte. »Ich komme allmählich aus der Übung.«
Ein halbes Dutzend schmutzverkrusteter Bettler hockte neben der Straße. Mandorallen hielt an und warf ihnen ein paar Münzen zu.
»Du solltest sie nicht noch ermutigen«, brummte Barak.
»Mildtätigkeit ist sowohl ein Privileg als auch eine Pflicht, Graf Barak«, erwiderte Mandorallen.
»Warum bauen sie hier keine Häuser?«
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