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Zauber der Schlange

Zauber der Schlange

Titel: Zauber der Schlange Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Eddings
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über den Zweig aus, sein Gesicht war seltsam sanft. »Ich werde Euch einen Gefallen tun, Sir Andorig«, verkündete er. »Ich werde Euch Euren Glauben wiedergeben. Seht genau hin.« Dann sprach er ein einziges, leises Wort, das Garion zwar nicht verstehen konnte, das aber die inzwischen vertraute Woge und ein schwaches Brausen auslöste.
    Zuerst schien nichts zu geschehen. Dann begannen die beiden Steinplatten sich mit einem Knirschen nach oben zu wölben, als der Zweig zu einem Ast wurde und Meister Wolfs ausgestreckter Hand zustrebte. Von den Palastmauern her waren unterdrückte Aufschreie zu hören, als Zweige aus dem Ast sprossen, während er weiter wuchs.
    Wolf hob seine Hand höher, und gehorsam wuchs der Ast bei dieser Geste, und seine Zweige wurden größer. Jetzt war es schon ein junger Baum, und er wuchs immer noch. Eine der Granitplatten zersprang mit einem scharfen Ton.
    Absolute Stille herrschte, während aller Augen in ehrfurchtsvoller Faszination auf dem Baum ruhten. Meister Wolf streckte beide Hände aus und drehte sie dann, bis die Handflächen nach oben zeigten. Wieder sprach er, und die Spitzen der Zweige schwollen an und begannen zu knospen. Dann erblühte der Baum, und seine Blüten waren zart rosa und weiß.
    »Ein Apfelbaum, meinst du nicht auch, Pol?« fragte Wolf über die Schulter gewandt.
    »Sieht so aus, Vater«, antwortete sie.
    Er tätschelte den Baum liebevoll und wandte sich dann wieder an den dunkelhaarigen Ritter, der – blaß und zitternd – auf die Knie gesunken war. »Nun, Sir Andorig«, fragte er, »was glaubt Ihr jetzt?«
    »Vergebt mir bitte, heiliger Belgarath«, flehte Andorig mit erstickter Stimme.
    Meister Wolf richtete sich auf und sprach dann streng zu dem Ritter, wobei er mit ebensolcher Leichtigkeit in die gemessenen Kadenzen des mimbrischen Idioms verfiel wie vorher schon Tante Pol. »Ich beauftrage Euch, Herr Ritter, für diesen Baum Sorge zu tragen. Er ist hier gewachsen, um Euren Glauben wiederherzustellen. Ihr müßt Eure Schuld an ihn durch sorgfältige Pflege und liebevolle Aufmerksamkeit abtragen. Zur rechten Zeit wird er Früchte tragen, und Ihr sollt diese Früchte sammeln und sie freigebig an alle die verteilen, die Euch darum bitten. Um Eurer Seele willen werdet Ihr sie niemandem verweigern, wie bescheiden er auch sei. So wie der Baum freigebig ist, so sollt auch Ihr es sein.«
    »Das ist nett«, sagte Tante Pol anerkennend.
    Wolf zwinkerte ihr zu.
    »Ich werde alles so machen, wie Ihr es mir befohlen habt, heiliger Belgarath«, keuchte Sir Andorig. »Ich verpflichte mich bei meinem Leben dazu.«
    Meister Wolf kehrte zu seinem Pferd zurück. »Wenigstens wird er einmal in seinem Leben etwas Nützliches tun«, murmelte er.
    Danach gab es keine weiteren Diskussionen. Die Palasttore öffneten sich quietschend, und sie ritten in den Innenhof, wo sie absaßen. Mandorallen führte sie durch kniende oder gar schluchzende Edelleute, die die Hände ausstreckten, um Meister Wolfs Gewand zu berühren. Sie folgten Mandorallen dicht auf den Fersen und gingen durch die breiten, mit Wandteppichen behangenen Gänge. Die Schar von Menschen hinter ihnen wuchs. Die Tür zum Thronsaal öffnete sich, und sie traten ein.
    Der arendische Thronsaal war eine große, gewölbte Halle mit geschnitzten Strebepfeilern, die sich entlang der Wände nach oben schwangen. Hohe schmale Fenster befanden sich zwischen den Pfeilern, und das Licht, das durch die bleigefaßten Scheiben strömte, war vielfarbig. Der Boden bestand aus poliertem Marmor. Auf der mit Teppichen ausgelegten steinernen Empore am einen Ende des Saals stand der arendische Doppelthron. Zu beiden Seiten der dahinterliegenden, bespannten Wand hingen die schweren, antiken Waffen, die zwanzig Jahre arendischen Königtums dokumentierten. Lanzen, Streitkolben und riesige, übermannsgroße Schwerter hingen zwischen den zerschlissenen Kriegsbannern längst vergessener Könige.
    Korodullin von Arendien war ein kränklich wirkender junger Mann in goldbestickter Purpurrobe. Er trug seine große, goldene Krone, als sei sie zu schwer für ihn. Neben ihm auf dem Doppelthron saß seine schöne, blasse Königin. Gemeinsam beobachteten sie leicht besorgt, wie die Menge, die Wolf umringte, sich den breiten Stufen näherte, die zu den Thronen hinaufführten.
    »Mein König«, kündigte Mandorallen an und beugte ein Knie, »ich bringe Euch den heiligen Belgarath, den Schüler Aldurs und Stab, auf den sich die Königreiche des Westens seit dem

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