Zauber der Vergangenheit
an«, sagte er. »Wenn ich mich Ihnen vorstellen darf. Mein Name ist Joshua Scott.« Ich erschrak innerlich. Das war er. Ich stand dem Mann gegenüber, der Lilian auf den Scheiterhaufen geschickt hatte. Wie er so vor mir stand, sah er gar nicht bedrohlich aus. Im Gegenteil. Er war sehr elegant und noch dazu außerordentlich charmant. Ich machte einen ordentlichen Knicks. Er honorierte es mit einem Lächeln. Plötzlich stellte sich Lilian an meine Seite.
»Was willst du von ihr, Josh?« Ihr Ton war feindselig.
»Lilian!« Er schien verdutzt, fing sich jedoch schnell wieder. »Welche Überraschung. Wie geht es dir?« Er setzte ein unschuldiges, bittersüßes Lächeln auf.
»Lass deine Finger von Violet!«, sagte sie mit Nachdruck.
»Warum so erzürnt? Ich wollte mich nur ein wenig mit Miss Harrison unterhalten.«
»Du weißt genau, warum!« Sie starrte ihn zornig an.
»Du solltest dich da nicht einmischen. Oder hat dir dein Ausflug ins Höllenfeuer so gut gefallen, dass du ihn wiederholen möchtest?«, fragte er.
»Ich fürchte mich weder vor dir noch vor dem Tod, denn ich habe nichts Unrechtes getan. Aber du solltest dich vielleicht vorsehen.«
»Wie du meinst.« Er lachte leise. »Ah, Mr Greystone!« Drew war aus der Menge aufgetaucht. »Finden Sie nicht auch, dass Miss Haimsworth ein wenig erschöpft aussieht? Etwas frische Luft würde ihr sicher guttun.« Er wollte sie loswerden.
»Ich werde nirgendwo hingehen«, protestierte sie.
»Schon gut, Lilian. Ich komme schon zurecht«, beschwichtigte ich sie und gab ihr mit einem Blick zu verstehen, dass ich wusste, was ich tat. Sie schien nicht sonderlich überzeugt, ließ sich dann aber doch, wenn auch nur widerstrebend, von Drew wegführen. Er warf mir einen besorgten Blick zu. Ich hatte gehofft, dass ich diese Sache nicht ohne ihn durchstehen müsste, aber nach den Geschehnissen des heutigen Tages und zumal er nun damit beschäftigt war Lilian nach draußen zu führen, war ich wohl auf mich allein gestellt. Ich musste behutsam vorgehen.
»Sie haben ein sehr schönes Haus«, bemerkte ich. Smalltalk war nie verkehrt, um ein Gespräch zu beginnen.
»Es ist das Anwesen meiner Familie«, entgegnete er und lächelte. »Doch all diese Pracht ist nichts, verglichen mit Ihrem Antlitz. Wenn ich mir die Freiheit herausnehmen darf, Ihnen zu sagen, dass sie heute Abend mit Abstand die schönste Frau in diesem Saal sind.« Ich wurde rot. Ich durfte mich nicht von ihm einwickeln lassen. Trotz seiner makellosen Manieren war er nichtsdestotrotz ein skrupelloser Mensch.
Ich wollte so schnell wie möglich auf mein eigentliches Anliegen zu sprechen kommen. Aber es musste so beiläufig wie möglich klingen. So als sei es ein Thema, das ich beim Tratsch und Klatsch mit meiner Nachbarin aufgegriffen hätte. »Mr Scott, ich habe gehört, dass sie sich sehr für das Studium der Zeit interessieren. Ich als Frau verstehe natürlich nicht sonderlich viel von solch komplizierten Dingen, aber mein Bruder ist ein regelrechter Verehrer Ihrer Ansichten. Ich habe mich gefragt, ob Sie mir diese Sache nicht ein wenig genauer erläutern könnten.«
»Miss Violet, wir sind heute Abend hier, um uns zu amüsieren. Meine Ausführungen würden Sie sicherlich langweilen.« Dumm stellen funktionierte bei ihm also nicht. Ich musste mir eine andere Taktik einfallen lassen. Ich könnte es mit Schmeicheleien versuchen, wie ich es bei den anderen Frauen gesehen hatte.
»Nichts, was sie sagen, könnte mich je langweilen«, erwiderte ich mit einem hoffentlich liebreizenden Augenaufschlag. Jede halbwegs emanzipierte Frau würde mich augenblicklich ohrfeigen, wenn sie mich jetzt sehen könnte.
»Sind Sie sich da ganz sicher?«, fragte er mit gespieltem Misstrauen. Ich nickte und strahlte ihn an. Es schien zu funktionieren.
»Nun denn, ich denke, das sollten wir nicht hier besprechen«, sagte er und sah mich dabei verschwörerisch an. »Erweisen Sie mir die Ehre mich auf die Terrasse zu begleiten, Miss Violet?«, fragte er. Mein Instinkt schlug Alarm. Achtung Violet, das ist eine Falle! Ich zögerte.
»Ich weiß nicht«, antwortete ich. »Es ist doch recht kühl draußen und ich möchte nicht riskieren mich zu erkälten.« Er reagierte ungeduldig. Offenbar war er es nicht gewohnt, dass man ihm widersprach.
»Ich bestehe darauf«, sagte er und umfasste meine Hand, an der ich den Ring trug. Erschrocken riss ich mich los. Dabei fiel mein Glas zu Boden und zersplitterte klirrend in zahllose Scherben. Joshua
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