Zauber der Vergangenheit
Ungewissheit nicht länger, Violet. Bitte mach meiner Qual ein Ende und sag mir, was du denkst.«
Sein Geständnis war einfach entwaffnend. Ich starrte ihn regungslos an. Ich hatte mit allem gerechnet, aber damit nicht.
»Es tut mir leid, wenn du wegen mir solches Leid ertragen musstest. Das habe ich nicht gewollt«, sagte ich, darauf bedacht ihm nicht ins Gesicht zu blicken.
»Ist das alles, was du dazu zu sagen hast?«, fragte er niedergeschlagen.
»Ja, ich denke schon.«
»Verrätst du mir wenigstens, warum du so abweisend reagierst?«
Nun verlor ich endgültig die Geduld. »Du erzählst mir, dass du mich magst, und gleichzeitig gibst du mir zu verstehen, dass du es wider deinen eigenen Willen tust«, platzte ich heraus. »Dass du meine aufsässige Art und mein loses Mundwerk verachtest und dass ich mich überall unmöglich benehme. Aber so bin ich eben. Entschuldige bitte, wenn ich deinen und den Ansprüchen dieses Jahrhunderts nicht entspreche, aber rein zufällig komme ich aus der Zukunft, wo es die Leute einen Dreck interessiert, ob man tanzen, kämpfen, reiten oder sich gewählt ausdrücken kann. Bis heute Abend habe ich gehofft, dass ich mich in dir getäuscht habe. Dass du doch nicht so ein aufgeblasener, arroganter Pinsel bist, wie ich es bei unserer ersten Begegnung dachte. Aber wie mir scheint, habe ich mich da geirrt.«
»So denkst du von mir?«, fragte er und sah mich ungläubig an.
»Ja, so denke ich von dir«, antwortete ich patzig.
»Ist dir schon mal in den Sinn gekommen, dass ich dir nicht gesagt habe, wer ich bin, weil ich Angst hatte, dass du mir dann nicht mehr vertrauen und dich von mir abwenden würdest?«, fragte er.
»Zurecht, würde ich sagen. Das entschuldigt nämlich in keinster Weise, dass du mich belogen hast. Du hättest mir sagen können, wer du bist«, entgegnete ich ärgerlich.
»Und was dann? Du hättest doch sofort von Drew wissen wollen, was damals passiert ist, und er hätte dir irgendeine Lügengeschichte über mich erzählt und du, du hättest ihm geglaubt und mich gemieden. Ich wollte, dass du mich als den Menschen kennenlernst, der ich wirklich bin, und nicht als den, den Drew dich glauben machen will.«
»Drew hat mir gar nichts über dich erzählt. Bis vorhin wusste ich noch nicht einmal, dass ihr euch kennt. Du hältst dich für besonders schlau und unfehlbar, aber tatsächlich ist das Einzige, was du mit deiner Geheimniskrämerei bewirkt hast, dass ich das Gefühl habe einem völlig Fremden gegenüberzusitzen. Mir ist, als ob ich dich gar nicht kennen würde.« Das hatte gesessen. Er sah mich mit einem leicht enttäuschten Ausdruck an. »Weißt du, du bist kein Stück besser als Drew. Ihr seid beide gleich. Ihr glaubt, ihr müsst Entscheidungen für mich treffen. Alles soll immer nach eurer Schnauze gehen. Ich werde gar nicht gefragt. Ihr behandelt mich wie ein Kind, aber ich bin keines mehr. Und ich habe es satt, hier zu sein. Ich will endlich wieder nach Hause.« Mit Mühe und Not konnte ich ein Ich will zu meiner Mami unterdrücken. Ich war verzweifelt. Den Tränen nahe, fühlte ich mich einfach nur grenzenlos alleingelassen.
»Ich weiß, dass du kein Kind mehr bist, Violet, aber gerade benimmst du dich wie eins. Du machst es einem aber auch wirklich nicht leicht. Du tust immer das Falsche im falschen Moment. Du kletterst auf Scheiterhaufen, legst dich mit Straßenräubern an und springst in einen Fluss. Auf dich muss man eben aufpassen wie auf ein kleines Kind. Und dann dankst du mir dafür, indem du mir Vorträge darüber hältst, dass du auf dich selbst aufpassen kannst. Wohin das geführt hat, haben wir ja gesehen. Herrgott, Violet, ich will dir doch nur helfen.« Er setzte sich wieder zu mir aufs Sofa.
»Ich brauche deine Hilfe nicht. Ich komme auch allein zurecht.« Ich verschränkte die Arme vor der Brust. Jetzt sollte ich ihm auch noch dankbar dafür sein, dass er mich wie einen Pflegefall behandelte.
»Jetzt komm schon. Spinn nicht rum. Das kannst du vielleicht deinem Großvater weismachen, aber nicht mir.«
Ungewollt hatte er damit den Nagel so ziemlich auf den Kopf getroffen.
»Das ist es ja«, fuhr ich ihn an. »Ich kann meinem Großvater gar nichts weismachen, weil ich nicht einmal weiß, wo er ist, oder ob er überhaupt noch lebt.« Wieder bahnten sich Tränen ihren Weg in meine Augen. »Er ist an allem schuld«, brachte ich unter einem Schluchzer hervor. »Wenn er nicht gewesen wäre, dann wäre ich jetzt gar nicht hier und müsste
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