Zauber der Versuchung: Roman (German Edition)
heraus ins Chaos der Tropen versetzt worden. Judith war offensichtlich vermögender, als er gedacht hatte. Sie führte ihn zwischen Farnen, noch mehr Palmen und allen möglichen blühenden Pflanzen hindurch, die in ungezähmter, absichtlich ungeordneter Pracht blühten. Ein süßlicher Duft lag in der Luft. Jasmin, überlegte Gideon, und noch etwas anderes. Sein Orchideengeschenk erschien ihm vor diesem Hintergrund nachgerade farblos, so als würde man der Besitzerin der Kronjuwelen einen hübschen bunten Glasstein überreichen. Die Blume selbst wollte er lieber gar nicht erst ansehen, vermutete er doch, dass sie in Anbetracht dieser Farbenvielfalt vor Scham dahinwelkte.
Ein Stück weiter mündete der Weg auf einen kleinen Platz mit einem Springbrunnen in der Mitte. Der Brunnen überragte Gideon um ein ganzes Stück. Die Wasserkaskade gelangte über drei Stufen in ein rundes Bassin, das nicht besonders breit war, höchstens anderthalb Meter im Durchmesser. Wie Gideon erst jetzt auffiel, standen seitlich des Weges überall Holztische, die beinahe gänzlich von Topfpflanzen auf und vor ihnen verdeckt wurden.
Judith ging um den Springbrunnen herum und blieb vor einem Tisch stehen, auf dem Orchideen oder zumindest orchideenähnliche Pflanzen in einer eindrucksvollen Vielfalt und Farbenpracht aufgereiht waren. Schlagartig empfand er Mitleid mit der Orchidee, die er trug, zumal er selbst das Gefühl hatte zu verwelken, jedenfalls was sein Selbstvertrauen betraf.
Sie nahm ihm den Topf ab und stellte ihn auf einen freien Platz zwischen zwei gleich aussehende Blumen. Gideon runzelte verwundert die Stirn und starrte die Pflanzen an. Zwei sehr gleich aussehende Orchideen. Wenn er es nicht besser wüsste, würde er sogar schwören, es handelte sich um drei gänzlich identische.
»Gütiger Gott.« Er biss die Zähne zusammen.
Judith grinste.
»Ich werde Helmsley umbringen müssen.«
Ein amüsiertes Funkeln trat in Judiths Augen. »Ich dachte, er wäre ein sehr alter und sehr enger Freund von Ihnen.«
»War er. Trotzdem werde ich ihn umbringen müssen.« Er kniff die Augen zusammen. »Und ich bin überzeugt, dass er es nicht nur verstehen wird, sondern sogar damit rechnet.«
Sie lachte. »Lord Helmsley war gestern hier und wollte eine meiner Orchideen kaufen. Ich habe noch nie zuvor eine verkauft, aber er erklärte mir, es wäre für einen guten Zweck, ja, er sprach von einer guten Tat, wenn ich mich recht erinnere. Und großzügig wie ich bin, weigerte ich mich selbstverständlich, Geld für die Pflanze zu verlangen. Schließlich ging es um eine wohltätige Sache, und es schadet meiner Reputation nicht, die eine oder andere zusätzliche gute Tat zu vollbringen.«
»Das gilt wohl für uns alle«, raunte er. »Vielleicht erlaube ich Helmsley, weiterzuleben.«
»Ja, das wäre ebenfalls eine gute Tat, wennschon meine ein bedeutend größeres Opfer darstellte. Wie dem auch sei, ich bin froh, die Pflanze wiederzuhaben.« Sie drehte sich zu dem Tisch um. »Von allen interessanten und faszinierenden Pflanzen, die ich in meinem Wintergarten habe, sind mir die Orchideen mit Abstand die liebsten.«
Da war ein Ton in ihrer Stimme und ein Blick in ihren Augen, als sie die Blumen betrachtete, bei dem Gideon unwillkürlich denken musste, wie glücklich sich der Mann schätzen durfte, dem eine solche Zuneigung zuteil wurde – und ihm allein. »Sie sind zauberhaft, finden Sie nicht?«
Er sah sie an, ihren schmalen Hals und ihre cremig weiche Haut. »Zauberhaft.«
»Zu gern würde ich sie einmal in ihrer natürlichen Umgebung bewundern. Sie wachsen zu Tausenden in Kolumbien. Eines Tages werde ich hinreisen und sie mir dort anschauen. Das dürfte ein großes Abenteuer werden.«
»Ja, das dürfte es.« Sein Blick wanderte zu ihrem Dekolleté, das der gegenwärtigen Mode entsprach und zugleich provozierend und verlockend tief war. »Das größte aller Abenteuer.«
»Man sagt, Orchideen wären erotisch, wussten Sie das?« Sie sprach leise und nachdenklich. »Folglich gilt es beinahe als unanständig für eine Dame, sie zu züchten, weil man befürchtet, wir könnten durch den bloßen Anblick der Blüten von Leidenschaft überwältigt werden.«
Er schluckte. »Das wäre zu schön, um wahr zu sein.«
»Fürchten Sie, ich könnte von Leidenschaft überwältigt werden?«, fragte sie und blickte ihn nur kurz an.
»Das hoffe ich inständig«, antwortete er schmunzelnd.
Sie drehte sich zu ihm um. »Worüber genau haben Sie und Lord
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