Zauber der Versuchung: Roman (German Edition)
sehr viel Geld. In dieser Welt galt vieles als verzeihlich, wenn man über ein großes Vermögen verfügte.
»Und du warst klug.«
Sie lächelte. »Ja, eindeutig klug.«
»Ich fand immer schon, dass eine wunderschöne Frau nur noch von einer übertroffen wird, die ebenso klug wie liebreizend ist.«
»Ich glaube dir kein Wort«, erwiderte sie lachend. »Du bist kein Mann, der seine Ansichten oder irgendetwas anderes vom schwachen Geschlecht infrage gestellt sehen will.«
Er verzog das Gesicht. »Das war recht harsch.« Dann fügte er hinzu: »Wahr, aber unfreundlich.« Dann überlegte er kurz. »Ich gebe zu, dass ich die Reize einer intelligenten, unabhängigen Frau nie zu schätzen wusste, bis ich dir begegnete.«
»Wie überaus charmant und schmeichelhaft, Mylord!«, schalt sie ihn lächelnd. »Ich gestehe, ich bin gleichermaßen beunruhigt wie überrascht, mehr und mehr zu entdecken, dass du überhaupt nicht so bist, wie ich dachte.«
Er gab sich schockiert. »Du dachtest, ich wäre nicht charmant?«
»Eine Blinde, eine Tote gar, könnte deinen Charme kaum übersehen«, antwortete sie trocken.
»Aber du glaubtest, ich wäre arrogant«, sagte er mit einem theatralischen Seufzer. »Dieses Urteil hat mich ziemlich getroffen.«
»Hat es nicht«, konterte sie prompt. »Das hast du selbst behauptet.«
»Ja, nicht wahr? Folglich kannst du bezeugen, dass ich ehrlich bin.« Er beugte sich ein wenig näher zu ihr. »Und was denkst du noch von mir?«
Sie zog die Brauen zusammen. »Du meinst, welche Fehler ich dir unterstelle?«
»Gütiger Gott, nein! Meiner Fehler bin ich mir selbst allzu bewusst. Verrate mir, inwiefern ich anders bin, als du erwartet hattest.« Dabei sah er sie auf eine Weise an, als wartete er auf ein recht unanständiges Geständnis. Oder auf etwas ganz Besonderes.
Ohne jede Vorwarnung veränderte sich die Stimmungslage. Die Luft zwischen ihnen schien buchstäblich zu brennen vor Erregung und Verlangen, und Judith fühlte ihr Herzklopfen.
»Ich hielt dich für kalt.«
»Ich bin außergewöhnlich warm«, sagte er mit tiefer, verführerischer Stimme.
Sie schluckte. »Ich glaubte, du wärest abweisend, reserviert.«
Nun beugte er sich noch weiter zu ihr. »Ich bin freundlich wie ein junger Welpe.«
»Bist du nicht!«, entgegnete sie lachend. »Aber du bist höchst amüsant, und damit hatte ich nicht gerechnet. Ich erwartete nicht, dass du mich zum Lachen bringst.«
»Es gefällt mir sehr, dich zum Lachen zu bringen.« Im Gegensatz zu seinen Worten, hatte sein Blick nicht das Geringste mit Lachen zu tun. Er kam noch näher, so dass sich seine Lippen nur noch wenige Zentimeter von ihren trennten. »Und ganz besonders gern entlocke ich dir Wonneseufzer.« Sie könnte, ja, sie sollte zurückweichen und für den gebührenden Abstand zwischen ihnen sorgen. Doch allein mit seinem Blick hielt er sie in seinem Bann, und sie wollte sich nirgends hinbewegen als in seine Richtung. »Und wohliges Stöhnen. Am allerliebsten mag ich es, wenn ich dich dazu bringen kann, diesen lustigen kleinen Laut von dir zu geben, sobald...«
Ein energisches Klopfen ertönte von der Tür hinter ihnen. Judith wurde tiefrot und fuhr zurück, was Gideon mit einem überaus zufriedenen Lächeln quittierte. Er schien genau zu wissen, welche Wirkung seine Worte auf sie hatte. Im selben Moment, in dem die Tür aufschwang, richtete er sich auf. Eine matronenhafte Frau unbestimmten Alters mit einer energischen Ausstrahlung kam in die Loge gerauscht wie ein Racheengel.
»Gideon, mein lieber Junge! Ich wusste ja gar nicht, dass du heute Abend im Theater bist.«
Gideon erhob sich gelassen. »Selbstverständlich wusstest du es, Tante Louisa. Ich erwähnte es erst am Nachmittag.«
»Dann muss ich es vergessen haben. Ach, mein Gedächtnis ist nicht mehr das, was es einmal war.« Die Dame stieß einen übertriebenen Seufzer aus. »Ich werde alt, weißt du.«
Gideon schüttelte den Kopf. »Du bist kaum über fünfzig, dein Gedächtnis ist tadellos, und du vergisst nie etwas.«
»Unsinn! Mein Verstand und mein Körper verfallen selbst in diesem Moment, da wir miteinander reden«, widersprach sie und hielt ihm die Wange hin. »Und nun begrüß mich anständig, als würdest du dich freuen, mich zu sehen, und mich nicht nur als unwillkommene Störung empfinden.«
»Selbst wenn dem so wäre?«, fragte er schmunzelnd, küsste sie jedoch pflichtergeben auf die Wange.
»Vor allem dann.«
»Du kennst Lady Chester, nehme ich an?«, sagte
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