Zauber der Versuchung: Roman (German Edition)
ich dir helfen?«
»Schon viel besser.« Alexandra schlenderte durchs Zimmer und setzte sich mit einer fließenden Grazie auf den Sessel neben dem Schreibtisch, wie man sie nur bei großen Frauen beobachtete. Judith erinnerte diese Art der Bewegung an Katzen. »Ich würde gerne wieder mehr reisen, vielleicht für einige Zeit in Paris leben. Ich bin schon viel zu lange in London und finde es hier todlangweilig.«
Alexandra hatte während der letzten zehn Jahre mehr Zeit auf Europareisen verbracht als in England, wofür Judith unendlich dankbar war. Dadurch minderte sich das Risiko unerwarteter Begegnungen wie der am gestrigen Abend. Bei Alexandra wusste man nie, was sie im nächsten Moment tun oder sagen würde. Und je weiter Alexandra fort war, umso geringer wurde die Gefahr, dass sie sich in einen öffentlichen Skandal verwickelte. Insofern war es beinahe ein Glück, dass sich Judiths Schwägerin vorzugsweise in derselben Künstlergemeinde bewegte, zu der auch ihr Bruder gehörte.
»Und was ist mit Mr Howard?«
»Nigel ist ein lieber, lieber Mann, aber ich muss gestehen, dass er ein bisschen zu lieb ist.« Alexandra rümpfte geziert die Nase. »Ein bisschen zu nett, zu ernst sozusagen. Er gäbe einen hervorragenden Ehemann ab, vorausgesetzt man lässt seinen Mangel an Vermögen außer Acht, aber du und ich, wir wissen beide, dass ich eine furchtbare Ehefrau wäre«, erklärte Alexandra und malte nebenher mit den Fingern willkürliche Muster auf die Sessellehne. »Man täte Nigel großes Unrecht, wenn man ihn in dem Glauben ließe, er bekommt eine Frau, die seiner würdig ist, obgleich es nicht stimmt.« Sie sah Judith an. »So etwas kann einen Mann dazu bringen, die schrecklichsten Taten zu begehen.«
»Dann wird es für alle Beteiligten das Beste sein, wenn du ihn nicht heiratest.«
Alexandra betrachtete sie eine Weile. »Ist dir je der Gedanke gekommen, dass er meiner nicht würdig sein könnte?«
Judith wählte ihre Worte mit größter Sorgfalt. Viel zu oft schon war sie in eine von Alexandras Fallen getappt, weshalb sie stets auf der Hut war. Es war jedes Mal dasselbe. Alexandra sagte etwas, womit sie Judiths Mitgefühl erregte, worauf Judith sich prompt fragte, ob sie nicht doch zu abweisend gewesen war. Für einen kurzen Moment glaubte Judith dann, sie könnten, wennschon keine Schwestern, so doch halbwegs gute Freundinnen werden. »Ich halte es für möglich.«
Alexandra grinste hämisch. »Da irrst du dich. Er ist viel zu gut für mich.«
»Ich habe mich schon häufiger geirrt«, sagte Judith seufzend.
»Was ein Jammer ist.« Sie sah Judith nachdenklich an. »Er ist ein sehr gut aussehender Mann, nicht wahr?«
Judith war verwirrt. »Ich sagte dir bereits, dass ich Mr Howard nie begegnet bin.«
»Nein, ich meinte deinen Lord Warton, obgleich es auf Nigel ebenso zutrifft.«
»Er ist nicht mein Lord Warton.«
Alexandra stieß einen spöttischen Laut aus. »Aber sicher ist er das, wenn er dich zu diesem endlosen, öden Vortrag begleitet.« Sie sah Judith neugierig an. »Bist du in ihn verliebt?«
»Nein«, antwortete Judith rasch, aber anscheinend nicht rasch genug.
»Verstehe«, sagte Alexandra nachdenklich. »Er würde dich nie heiraten, wenn er wüsste...«
»Ich habe nicht vor, ihn zu heiraten.«
»Vielleicht er...«
»Ebenso wenig hat er die Absicht, mich zu heiraten.«
»Lucian ist seit zehn Jahren tot.« Alexandra starrte sie ungläubig an. »Ist das nicht lange genug?«
Mehr als genug. »Lange genug wofür, Alexandra?«
»Ich weiß nicht«, antwortete sie und atmete langsam aus. »Aber es scheint mir eine sehr lange Zeit.«
Judith kam der Gedanke, dass es auch für Alexandra eine lange Zeit war. Judith hatte ihr Leben längst wieder in die Hand genommen, wohingegen Alexandra durch ihres hindurchwanderte, ohne Ziel und ohne Manieren.
Judith holte tief Luft. »Ich habe nicht den Wunsch, wieder zu heiraten.«
»Mir scheint ein Mann wie Warton überaus geeignet, einen solchen Wunsch zu wecken.«
»Was möchtest du von mir hören, Alexandra?« Judith reichte es endgültig. »Ja, Lord Warton ist tatsächlich geeignet, alle möglichen Wünsche zu wecken. Ja, er sieht gut aus, und, ja, er kann mich hinreichend leiden, um mich zu einem Vortrag zu begleiten. Aus diesen und anderen Gründen mag ich ihn.«
Ihre Schwägerin musterte sie abschätzend. »Ach, aber wird er das auch noch tun, wenn er hinter dein Geheimnis kommt?«
»Es gibt kein Geheimnis«, entgegnete Judith, nahm sich ein
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