Zauber der Versuchung: Roman (German Edition)
zahlreicher weiblicher Verwandtschaft, die sich allesamt für pikante Gerüchte begeistern, haben wir das eine oder andere gehört.«
»Aber ihr habt nie ein Wort darüber verloren. Keiner von euch.«
» Du , mein Freund, hast nie ein Wort darüber verloren«, korrigierte Norcroft ihn. »Und weil wir deine Freunde sind, begriffen wir, dass du nicht über die Angelegenheit sprechen wolltest, weshalb wir es von uns aus auch nicht taten.«
Gideon betrachtete Norcroft eine Weile. Norcroft, Helmsley und Cavendish waren seine engsten Freunde, und wenn er es recht bedachte, waren sie sogar seine einzigen Freunde. Im Laufe der Jahre hatten sie sich eine Menge anvertraut, nie jedoch über seine unglückliche Heirat gesprochen. Dass sie den Vorfall von sich aus nicht ansprachen, nicht einmal unter erheblichem Alkoholeinfluss, sagte einiges über ihre Freundschaft aus. Gideon lächelte zynisch. »Für Cavendish muss es schwer gewesen sein, seinen Mund zu halten.«
»Für Cavendish ist es immer schwer, seinen Mund zu halten. Also«, Norcroft rieb sich die Hände, die in Handschuhen steckten, »was hältst du davon, wenn wir dieses Gespräch vor einem warmen Kaminfeuer und mit einem Brandy in der Hand fortsetzen?«
»Ich würde lieber gehen. Es hilft mir beim Denken.« Gideon grinste. »Das heißt, falls du den Elementen noch ein wenig länger trotzen kannst.«
»Ich werde mich bemühen, wacker weiterzulaufen«, sagte Norcroft mit einem theatralischen Seufzer, und so marschierten sie weiter.
Einige Minuten lang gingen sie schweigend nebeneinander her. Gideon wusste nicht genau, was er zu sagen hatte, aber er war es leid, Selbstgespräche zu führen, und er hatte unzählige Fragen. Zwar bezweifelte er, dass Norcroft die Antworten wüsste, aber es tat schon gut, seine Sorgen einem Freund anzuvertrauen. Einem Freund. Seit Jahren betrachtete er die drei anderen Männer als seine Freunde, und doch bedeutete es ihm nie so viel wie heute. Es war eher nur ein Wort gewesen. Jetzt aber, da er, nun ja, Freunde brauchte, die er anscheinend bisher nicht derart dringend gebraucht hatte, gewann das Wort eine vollkommen neue Bedeutung.
»Das Problem, wenn man sich in eine Frau verliebt, die sich nicht in dich verliebt«, begann Gideon schließlich, »ist, dass man sich gleichermaßen betrogen wie verletzt fühlt. Insbesondere, wenn man glaubte , sie würde die Gefühle erwidern. Dein Vertrauen wird missbraucht, und das kann deinen Glauben an Dinge erschüttern, die du stets für wahr hieltst.«
»An die Liebe«, folgerte Norcroft mit einem weisen Nicken.
»Eigentlich bezog ich mich auf Ehre. Offen gesagt hatte ich bis dahin nie intensiver über Liebe nachgedacht. Natürlich kannte ich romantische Anwandlungen, die zumeist durch Literatur oder Poesie genährt wurden, aber sie konzentrierten sich eher auf Galanterie und Ritterlichkeit als auf Liebe. Allerdings glaubte ich stets an Ehrlichkeit und die Gültigkeit des gegebenen Wortes. Dass jemand, für den ich tiefste Gefühle hegte, diesen Glauben nicht teilte, war für mich mindestens so verheerend wie alles andere.« Gideon sah Norcroft an. »Mehr als du wissen wolltest, oder?«
»Ganz und gar nicht«, erwiderte Norcroft. »Ich bin willens, dir so lange zuzuhören, wie du reden möchtest. Es ist äußerst erhellend.« Nach einem kurzen Moment fügte er hinzu: »Trotzdem bin ich ein wenig verwirrt.«
»Sind wir das nicht alle?«, meinte Gideon zynisch.
»Sprechen wir hier über Violet Smithfield oder über Lady Chester?«
»Über beide, schätze ich.« Gideon atmete tief durch. »Was ich in der Vergangenheit mit Violet erlebte, beeinflusst das, was ich gegenwärtig mit Judith erlebe. Das ist mir klar, und es scheint mir auch logisch. Darin könnte nämlich der Grund liegen, weshalb ich alles über sie wissen will.«
»Wäre nicht schön, wenn schon wieder ein unerwarteter Verlobter aufkreuzt.«
»Oh, ich wusste von Violets Verlobtem«, sagte Gideon kopfschüttelnd. »Was ich nicht wusste, war, dass er der Mann war, den sie wollte. Sie verbarg es recht gut vor mir, und ich hatte nicht die entfernteste Ahnung, was in Wahrheit los war. Judith hat alle möglichen Geheimnisse und Dinge, über die sie nicht sprechen will, aber ich will alles über sie wissen.«
»Um Überraschungen vorzubeugen?«
»Vielleicht, aber nicht nur.« Gideon blieb unter einem Baum stehen und brach einen Zweig ab. »Ich bin nicht sicher, warum oder wie, aber da ist noch mehr. Es ist weniger eine Frage des
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