Zauber der Versuchung: Roman (German Edition)
hatte nicht die geringste Lust, eine Gesellschaft zu besuchen, die Violet gab, obwohl es gewiss unterhaltsam wäre. »Ich denke darüber nach.« Er richtete sich auf. »Wenn dann also deine Entschuldigung, und ich verwende diesen Ausdruck im weitesten Sinne, beendet ist, muss ich dir einen guten Tag wünschen. Ich habe Geschäftliches zu regeln.«
Sie zögerte. »Gideon.«
»Ja?«, fragte er gereizt.
»Ich möchte wirklich offen zu dir sein.«
»Was für eine reizvolle Vorstellung.«
»Deshalb sollte ich dir ehrlich sagen, dass ich nicht glücklich damit bin, unverheiratet zu sein. Mir gefällt es nicht, mich um alles selbst kümmern zu müssen. Mir gefällt es nicht, keinen Mann in meiner Nähe zu haben.« Sie warf ihm ein keckes Lächeln zu, bei dem sich ihm die Nackenhaare sträubten. »Ich will einen neuen Ehemann, Gideon, und der sollst du sein.«
»Das dürfte schwierig werden«, erwiderte er ruhig. »Denn ich will dich nicht.«
»Oh, das wirst du noch.« Sie trat noch näher zu ihm. »Ich bin nämlich bereit, dir heute anzubieten, was ich dir zuvor nicht geben wollte.« Mit diesen Worten legte sie die Hände an sein Revers und sah ihm in die Augen. »Ich bin keine unschuldige Jungfrau mehr.«
Er nahm ihre Hände herunter. »Du warst vielleicht jungfräulich, aber niemals unschuldig, meine Liebe.«
»Es ist meine Schuld, dass du so zynisch bist, stimmt‘s? Ich habe dir das angetan, und es tut mir leid. Nun denn.« Sie zuckte gleichgültig mit den Schultern. »Ich werde eben mein Bestes geben müssen, es wiedergutzumachen.«
»Betrachten wir die Angelegenheit einfach als vorbei und erledigt.«
»Nein, das kann ich nicht!« Ein entschlossenes Funkeln trat in ihre violetten Augen. »Ich will nicht allein, ohne Ehemann leben. Ich habe mich an die Ehe gewöhnt und beabsichtige, wieder zu heiraten. Und ich warne dich«, fügte sie energisch hinzu, »ich will dich, Gideon, und ich bekomme dich.«
»Dann sollte ich dich besser auch warnen. Ich bin nicht mehr der dumme Junge, der sich von einem hübschen Gesicht und charmantem Auftreten zum Narren halten lässt.«
»Ich habe nicht vor, dich zum Narren zu halten.« Sie beugte sich vor und senkte die Stimme zu einem verführerischen Flüstern. »Aber ich bin fest entschlossen, dich wieder dasselbe für mich empfinden zu lassen wie einst.«
»Es wird dir nicht gelingen«, sagte er. »Nie wieder, Violet.«
»Wir werden sehen.« Sie drehte sich um und ging zur Tür. Dann blieb sie stehen und sah sich zu ihm um. »Denk daran, ich wollte William, und ich ließ mich durch nichts, nicht einmal von dir, lieber, lieber Gideon, davon abhalten. Heute bin ich nicht weniger entschlossen.« Sie lächelte freundlich. »Guten Tag, Lord Warton.« Einen Moment später war sie fort.
»Guten Tag, Lady Braxton«, murmelte er.
In hundert Jahren hätte er sich eine solche Unterhaltung nicht ausmalen können. Oh, gewiss, anfangs hatte er ihr Wiedersehen im Geiste durchgespielt, bei dem ihn Violet um Vergebung bat, ihm ihre unsterbliche Liebe gestand und ihn anflehte, sie zurückzunehmen. Und in seiner Fantasie hatte er sie mal verächtlich abgewiesen, mal großzügig wieder in seine Arme geschlossen, je nach Stimmungslage.
Vor neun, acht, vielleicht sogar noch sieben Jahren hätte ihm ihre Erklärung, er wäre derjenige, den sie wollte, die Welt bedeutet. Heute war es nicht mehr als ein Kuriosum, reizvoll, aber nicht sonderlich interessant. Er hatte mit allen möglichen Gefühlen gerechnet, falls dieser Moment kam. Nun jedoch war er sich nicht einmal sicher, ob er wirklich noch wütend auf sie war. Oder ob es ihn überhaupt scherte. Wie seltsam. Es hatte eine Zeit gegeben, in der sie das Einzige auf Erden gewesen war, was er wollte. Heute wollte er nichts als Judith.
Und was, genau, hatte das zu bedeuten?
Er wusste es nicht, doch es war höchste Zeit, es herauszufinden. Er hatte Judith gesagt, er wolle sehr lange mit ihr zusammen sein. Was bedeutete das? Heirat? Eigentlich sollte Heirat nie ein Thema bei dieser Affäre sein, und dennoch...
Ein paar Tage auf dem Lande würden ihm gut tun. Dort konnte er in Ruhe nachdenken, bis er klarer sah, was ihm in ihrer Nähe nicht zu gelingen schien. Und wenn er zurückkam, würde er wissen, was er wollte – vielleicht sogar, was er fühlte.
Zunächst einmal aber mussten sie Violets Party überleben. Bei der Vorstellung von Judith und Violet im selben Raum war ihm gar nicht wohl. Aber Violet hatte recht: Wenn er ihre Einladung
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