Zauber der Wellen - Feehan, C: Zauber der Wellen - Oceans of Fire (3 - Abigail)
Abigail Drake zu töten, dann hätte er das getan, ohne zu zögern. Welchen anderen Grund konnte es dafür geben, dass er hier war? Aleksandr unterdrückte den Drang, dem Mann aufzulauern. Er hatte in einer harten Lektion gelernt, was passierte, wenn man handelte, ohne sämtliche Fakten zu kennen, und er hatte nicht die Absicht, einen weiteren Fehler zu machen, der durchaus tödliche Folgen haben könnte.
»Erzähl mir mehr über ihn«, drängte Abigail.
»Er heißt Ilja Prakenskij. Wir sind gemeinsam in einem staatlich geführten Heim aufgewachsen, und wir haben einander den Rücken gedeckt. Es musste so sein. Selbst damals, als wir jung waren und sie uns für unsere Arbeit ausgebildet haben, wurden ständig Machtspiele betrieben. Da, wo ich herkomme, gehört das zum täglichen Leben.«
»Du kennst ihn?«
» Wahrscheinlich besser als jeden anderen«, bestätigte er. » Wenn es einen Mann gibt, den ich respektiere und sogar mag, dann ist das Ilja, aber unsere Betreuer und Ausbilder haben Freundschaften in keiner Weise gefördert. Er hat eine Richtung eingeschlagen und ich eine ganz andere. Aber Ilja verfehlt sein Ziel nicht. Ich weiß nicht, warum er hier ist, aber er behauptet, Danilov nicht gekannt zu haben, und ich glaube ihm. Angeblich arbeitet er für Sergej Nikitin, und Nikitin gehört zur Mafia, ein ungeheuer brutaler Mann, der seine Probleme gern mit extremen Mitteln löst.«
Abigail schlug das Herz bis zur Kehle. »Du hast gesagt, du stündest auf einer Abschussliste. Ist er deinetwegen hier?«
»Er bestreitet es.«
»Aber er war hier und er wusste, dass du herkommen würdest. Weshalb sonst sollte er dieses Haus und mich beobachten, wenn es nichts damit zu tun hat, dass ich den Tod deines Partners mitangesehen habe, und wenn er es auch nicht auf dich abgesehen hat? Das ist die einzige logische Erklärung.«
Aleksandr nickte. »Das ist wahr, aber ich glaube nicht, dass er es auf mich abgesehen hat. Er hat mich gewarnt, ich hätte mächtige Feinde.«
»Stimmt das?«
»Selbstverständlich. Ich wäre nicht, wo ich bin, ohne mir Feinde gemacht zu haben. Dazu muss man die Dynamik in meinem Land verstehen und wissen, wer die treibenden Kräfte sind. Im Lauf der letzten zwanzig Jahre hat es so viele Veränderungen
gegeben, so viele Machtverlagerungen, und niemand trennt sich gern von seiner Macht.«
» Was hast du Schlimmes getan? Was könnte so schlimm sein, dass jemand einen Killer auf dich ansetzt?«
Es entstand eine kurze Pause. Abigails Mut sank. Sie setzte sich auf die Bettkante. »Es hat etwas mit meiner Abreise aus Russland zu tun, stimmt’s?«
»Ja.« Er wollte sie nicht belügen. »Ich hatte Feinde, von denen ich nichts wusste, und die haben nach allem, was vorgefallen ist, jede Gelegenheit genutzt, die sich ihnen bot.«
Sie schnappte hörbar nach Luft und hob eine Hand, um ihm Einhalt zu gebieten. »Sei still. Hör auf. Sprich nicht darüber.«
» Wenn wir nicht darüber reden, kommen wir niemals darüber hinweg«, sagte er mit sanfter Stimme.
»Darüber lässt sich nicht hinwegkommen. Nicht jetzt. Und auch zu keinem anderen Zeitpunkt. Machst du dir auch nur die geringste Vorstellung davon, was sie mir angetan haben? Du hast mir das Herz aus dem Leib gerissen, und dann hast du mich tatenlos von denen schlagen lassen, Sasha, du verfluchter Kerl. Versuch gar nicht erst, mir vorzumachen, du hättest nicht gewusst, was sie mir angetan haben. Du wusstest ganz genau, was vorging. Du hattest zu viele Kontakte, um es nicht zu wissen. Du hast es zugelassen.« Ihr wurde wieder schlecht. Ihr Magen rebellierte, eine Übelkeit, die niemals zu vergehen schien, gegen die aber auch kein Kraut gewachsen war.
»Ich habe es erst erfahren, als es schon zu spät war, und dann habe ich Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt, um dich schnell rauszuholen. Und du weißt, warum, verdammt noch mal.«
Sie schlug sich die Hände vor ihr Gesicht. »Ich will nicht daran denken. Ich will nie wieder daran denken. Ich hätte den Schuss ebenso gut selbst abgeben können. Der arme Mann und seine arme Frau. Ich muss damit leben, dass ich die Schuld an seinem Tod trage, das weiß ich selbst, aber das, was du mir angetan
hast, habe ich nicht verdient. Wenn das deine Vorstellung von einer Strafe ist …«
»Sei still!« Zum ersten Mal erhob er die Stimme zu einem Schwall russischer Flüche. »Es war keine Strafe. Du warst nie verantwortlich für den Tod dieses Mannes. Eine ganze Reihe von Umständen hat dazu geführt,
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