Zauber der Wellen - Feehan, C: Zauber der Wellen - Oceans of Fire (3 - Abigail)
hatte es diesem Ziel geweiht. Sie wusste, dass er Ehrgefühl besaß und dass sein Vaterland auf seine Loyalität zählen konnte, aber sie wusste auch, dass er so erbarmungslos und skrupellos sein konnte wie jeder der Verbrecher, hinter denen er her war.
Sie würde sich nicht noch einmal in Gefahr bringen. Weder ihr Leben noch ihre Magie. Sie wandte ihr Gesicht ab.
Joley umklammerte ihre Finger fester und zog Abigails Aufmerksamkeit auf sich. Zusätzlich zu den Blutsbanden waren sie durch Magie miteinander verbunden. Was die eine fühlte, fühlte
auch die andere, und Joley blinzelte gegen ihre Tränen an, denn sie begriff, dass Abigail etwas Schlimmes zugestoßen war. Abbey drückte beruhigend ihre Hand. Sie konnte ihre jüngere Schwester nicht vor den starken Gefühlen bewahren, die sie miteinander teilten. Ihr graute schon davor, ihren Schwestern die Wahrheit zu erzählen, doch sie wusste, dass ihr gar nichts anderes übrig blieb, als ihnen eines Tages offen zu sagen, was sie getan hatte.
Aleksandr beugte sich hinunter und presste seine Lippen an Abigails Ohr. »Früher warst du offener.«
Ihr Herz machte einen Satz. »Das ist lange her.«
»Nicht für mich, bauschki-bau , nicht für mich.«
»Du tust mir weh.« Die Worte kamen über ihre Lippen, bevor sie sie zurückhalten konnte. Vier Jahre waren eine lange Zeit und sie hätte längst darüber hinweggekommen sein sollen, aber es war alles noch da, jede lebhafte Einzelheit.
Er zwängte sich ohne ein weiteres Wort an ihr vorbei und nahm ihr die Fackel aus der Hand. »Bleibt hier, bis ich euch Bescheid gebe, dass alles in Ordnung ist.«
Er war jetzt wieder so nüchtern und sachlich, als sei es nie zu diesem kurzen Wortwechsel gekommen. Abigail klammerte sich instinktiv an Joley. Er konnte seine Gefühle nach Belieben ein- und ausschalten. Warum hatte sie das nicht bemerkt, als sie bis über beide Ohren in ihn verliebt gewesen war? Das war ein auffallender Charakterfehler, den sie niemals hätte übersehen dürfen.
Joley gab einen kurzen gepeinigten Laut von sich, als das Licht der Fackel sich von ihnen entfernte und sie im Dunkeln zurückblieben. »Ich kann nicht mehr. Tut mir Leid, Abbey, aber ich muss umkehren. Ich kann nicht atmen. Mein Herz zerspringt.«
»Ganz ruhig, meine Liebe. Es tut mir ja so leid. Deine Platzangst hatte ich vollständig vergessen.«
»Ich habe die andere Treppe fast erreicht«, rief Aleksandr zurück. »Aber jetzt brauche ich ein bisschen Hilfe von eurer Seite,
meine Damen. Joley, warum singst du mir nicht etwas vor, damit ich weiß, wie weit ihr weg seid?«
»Aleksandr …« Abigail bekam es plötzlich mit der Angst zu tun. »Lass die Finger von allem, was tödlich sein könnte. Wir kehren einfach um. Der Schütze muss inzwischen fort sein. Jetzt können wir an Land schwimmen.«
»Ich bin schon fast da, malutka .« In seiner Stimme schwang eindeutig eine zärtliche Liebkosung mit.
Abigail traute ihm nicht. Er sagte immer genau das Richtige. Er lenkte Joley ab, und seine Stimme war sexy und voller Zuspruch und Sorge, aber was für ihn zählte, war letzten Endes doch nur, dass er der Schmugglerroute bis zu ihrem Ende folgen wollte. Er wollte die Treppe hinaufsteigen und sehen, wo die Schmuggler herauskamen. Sie musste immer daran denken, dass alles, was er tat, einem Zweck diente.
»Ich weiß, dass dir das Singen ein Gräuel ist, Abbey«, flüsterte Joley, »aber ich bitte dich, nur dieses eine Mal.«
Abigail schloss die Augen. Sie musste Joley aus der Patsche helfen, denn schließlich hatte sie ihre Schwester überhaupt erst in diese unbehagliche und gefährliche Lage gebracht. Abigail fürchtete sich davor, ihre Stimme zu benutzen. Joley hatte die Magie ihres Gesangs unter Kontrolle, Abigail jedoch nicht. Sie konnte mit ihrer Stimme Verheerendes anrichten. Wenn sie allein mit ihrem Boot draußen war, sang sie den Delfinen und den Walen etwas vor, sämtlichen Geschöpfen, die im Meer lebten, aber in Gegenwart von Menschen sang sie nicht.
Sie setzte zu einem Song an, zu einem von Joleys Originalen, einer zarten Melodie voller Kummer und Gram, denn sie war nicht nur bekümmert, sondern glaubte, ihr Herz würde von neuem in zahllose Splitter zerbrechen. Sie konnte die Intensität von Joleys schockiertem Blick im Dunkeln spüren, und doch fiel Joley in ihren Gesang ein, obgleich ihre sonst so kräftige Stimme zaghaft klang. Doch dann gewann sie an Kraft, während sie zweistimmig sangen.
Aleksandr verharrte regungslos, als die
Weitere Kostenlose Bücher