Zauber der Wellen - Feehan, C: Zauber der Wellen - Oceans of Fire (3 - Abigail)
brach.«
»Das ist nicht selbstsüchtig, Abbey«, sagte Joley. »Es ist menschlich. Und ganz normal. Du bist keine Märtyrerin, du bist eine Frau. Um Himmels willen, es ist das Natürlichste auf Erden, sich zu wünschen, dass man bei seinem Mann an erster Stelle steht und dass er einem hilft, wenn man ihn braucht.« Sie ballte ihre Hand zur Faust. »Ich wünschte, ich hätte all das
schon gewusst, als er mich mit seinem Charme umgarnt hat. Ich hätte ihm die Lichter ausgepustet.«
Über dem Meer kam Wind auf und fuhr heulend ums Haus. Die Schwestern sahen Hannah an. Sie zuckte die Achseln. »Das kann schon mal passieren, wenn ich wirklich wütend bin. Ein Relikt aus meiner Kindheit, gegen das ich nicht immer ankomme.«
»Willst du uns erzählen, was sie dir während des Verhörs angetan haben, oder werden Hannah und Joley das nicht verkraften und ausflippen?«, fragte Kate.
Abigail schüttelte den Kopf. »Ich werde nicht darüber reden. Es war entsetzlich, und ich habe mich so sehr gefürchtet wie niemals zuvor in meinem Leben. Es war schlimmer, als beim Tauchen auf Haie zu stoßen.«
Elle schloss die Augen und wandte ihr Gesicht ab. Tränen tropften von ihren Wimpern und rannen über ihre Wangen. »Sie haben dich immer wieder geschlagen. Einer der Männer hat dich oft geohrfeigt.« Ihre Stimme klang fern, und um ihre Mundwinkel herum zogen sich Falten der Anspannung. »Sie haben dir gedroht und anzügliche Bemerkungen gemacht. Sie haben dich als Hexe beschimpft, und sie haben versucht, andere Namen aus dir herauszuholen. Der Mann, der dich ins Gesicht geschlagen hat, wollte, dass du Aleksandrs Namen nennst und sagst, er hätte die Waffe absichtlich dort liegen lassen.« Elle schlug die Augen auf und sah Abbey fest an.
Abigail spürte, wie ihr Herz sich schmerzhaft zusammenzog. So ging es ihr immer, wenn Elle ihr direkt in die Augen sah. Mit ihrem leuchtend roten Haar und ihrer blassen Haut wirkte sie so jung, aber wenn man ihr in die Augen sah, erkannte man, dass diese Augen zu alt für ihr Alter und voller Wissen waren, dem Wissen über Dinge, die niemand sonst sah.
»Du hast seinen Namen nie genannt.«
»Nein.«
»Warum nicht?«, fragte Elle leise.
Abigail schüttelte den Kopf. »Ich weiß es nicht.«
»Oh doch, das weißt du sehr wohl.«
»Ich habe ihn geliebt.«
Elle seufzte. »Du hast ihn wirklich sehr geliebt, aber das war nicht der Grund, weshalb du seinen Namen nicht genannt hast. Du warst wütend und verängstigt, und du bist unglaublich stur, Abbey. Das war jedoch nicht der Grund, weshalb du dich geweigert hast, ihn zu verraten. Und du hast auch nicht geschwiegen, weil du von ihm gerettet werden wolltest. Nach den ersten drei Stunden dieser Tortur, als der Mann vor dir gestanden und dich angespuckt hat, dir ins Gesicht geschlagen und dich bedroht hat, hat es für dich keine Rolle mehr gespielt, ob Aleksandr dich rettet oder nicht.«
»Ich war wütend«, flüsterte Abigail.
»Auf sie alle«, sagte Elle. »Irgendwo in deinem Innern verbirgt sich die Antwort auf diese Frage. Wenn du die Wut und die Enttäuschung überwunden und dich von deinen Schuldgefühlen gelöst hast, dann wirst du wissen, warum du es getan hast. Und dann wurde alles noch schlimmer, nicht wahr, weil du den Verdacht hattest, Aleksandr hätte etwas Entsetzliches getan, um deine Freilassung zu bewirken.«
Abigail nickte. »Die Männer, die mich verhört haben, wurden plötzlich aus dem Raum abgezogen, und andere haben ihren Platz eingenommen, aber sie haben nicht mit mir gesprochen. Sie haben miteinander geflüstert, und sie haben sich ganz anders benommen – furchtsam –, und sie haben mir überhaupt keine Fragen gestellt, sondern ständig miteinander getuschelt, und sie hatten eindeutig große Angst. Sie schienen an einer Geschichte zu basteln, die sie ihren Vorgesetzten auftischen konnten. Ich wusste, dass etwas Furchtbares passiert war.«
»Du …«
»Nein!« Abigail sah Elle an und schüttelte heftig den Kopf. »Sag es nicht. Denk nicht einmal daran. Ich will nicht wissen, was Aleksandr getan hat, um mich dort rauszuholen. Wenn er
jemanden getötet hat, damit ich freigelassen wurde, wenn meinetwegen ein weiterer Mensch gestorben ist, dann könnte ich nicht damit leben.«
»Abbey …«, setzte Sarah an.
»Nein, es ist mein Ernst. Manchmal bekomme ich kaum Luft, wenn ich an diese arme Frau denke, die jetzt ohne ihren Mann und ohne ihre Tochter dasteht. Ich darf gar nicht daran denken. Zwingt mich nicht, die
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