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Zauber-Schloss

Titel: Zauber-Schloss Kostenlos Bücher Online Lesen
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Unterschenkel. Seltsam, daß er früher nie auf Schenkel geachtet hatte! Er kletterte auf alle viere und ließ seinen Blick vorsichtig die atemberaubend wohlgeformten Beine emporgleiten, bis der Saum des Kleides ihn aufhielt. Es war ein schönes Kleid, halbdurchsichtig genug, um den weiteren Verlauf der Beine erkennen zu lassen – doch genug davon! Er zwang sich dazu, zu ihrem Kopf hochzublicken.
    Ihr nunmehr gelöstes Haar bestand aus einer Unmenge zappelnder kleiner Schlangen. Sie waren auf anziehende Weise entsetzlich. Aber das Gesicht – da war ja gar nichts! Nur eine Leere, als bestünde der Kopf aus einer hohlen Kugel, deren Vorderteil abgenommen worden war.
    »Aber… aber ich habe doch gerade noch Ihr Gesicht gesehen, alles, bis auf die Augen –«
    »Du hast diese Maske gesehen«, sagte sie und hielt sie hoch. »Und die dunklen Brillengläser. Du hättest nie in mein wirkliches Gesicht blicken können.«
    So sah es wohl aus. »Aber warum –«
    »Um dich abzuschrecken – wenn dir der notwendige Mut fehlen sollte, den du brauchst, um zum Guten Magier vorzudringen.«
    »Ich hab’ doch einfach die Augen zugemacht und bin davongelaufen«, meinte Dor.
    »Aber nach vorne, nicht zurück.«
    Das stimmte. Selbst in seinem Entsetzen hatte er seine Suche nicht aufgegeben. Oder war er einfach nur in die Richtung losgerannt, die zufällig vor ihm gelegen hatte? Dor war sich da nicht so sicher.
    Er blickte die Gorgone erneut an. Wenn man sich erst einmal an ihr fehlendes Gesicht gewöhnt hatte, dann war sie eigentlich recht attraktiv. »Aber Sie… was macht eine Gorgone denn hier?«
    »Ich leiste mein Jahr Arbeit ab und warte auf meine Antwort.«
    Dor schüttelte den Kopf, wie um seine Verwirrung loszuwerden. »Sagen Sie… wenn ich so frei sein darf… was war denn Ihre Frage?«
    »Ich habe den Guten Magier gefragt, ob er mich heiraten würde.«
    Dor schluckte schwer. »Er… er hat Sie gezwungen… dafür zu bezahlen?«
    »O ja. Er berechnet immer einen Jahresdienst oder eben den Gegenwert davon. Deshalb gibt es hier im Schloß auch so viel Magie. Er ist schon seit ungefähr einem Jahrhundert im Geschäft.«
    »Das weiß ich doch alles! Aber das war doch etwas anderes –«
    Sie schien hinter ihrer Unsichtbarkeit zu lächeln. »Er macht keinerlei Ausnahmen, höchstens auf direkten Befehl des Königs hin. Mir macht das nichts aus. Ich wußte ja, was mich hier erwartete. Bald ist das Jahr vorbei, und ich erhalte meine Antwort.«
    Grundy schüttelte seinen kleinen Kopf. »Ich hab’ ja schon immer gewußt, daß der alte Gnom nicht ganz dicht ist. Aber das hier… der ist doch völlig plemplem!«
    »Ganz und gar nicht«, entgegnete die Gorgone. »Wenn ich erst einmal alles Erforderliche gelernt habe, dann könnte ich ihm wirklich eine gute Ehefrau sein. Er mag ja sehr alt sein, aber tot ist er keineswegs, und er braucht –«
    »Ich meine, dich ein Jahr lang schuften zu lassen. Warum heiratet er dich denn nicht einfach? Dann hat er doch ein ganzes Leben lang was von dir.«
    »Willst du etwa, daß ich ihm eine zweite Frage stelle und noch ein weiteres Jahr für die Antwort arbeiten muß?« fragte sie.
    »Äh, nein, ich war bloß neugierig. Ich verstehe den Guten Magier einfach nicht.«
    »Das tut keiner«, meinte sie etwas wehmütig, und Dor merkte, daß ihm dieses gesichtlose, wohlgeformte weibliche Wesen sympathisch zu werden begann. »Aber langsam gewöhne ich mich an ihn. Das ist eine gute Frage, die du da gestellt hast. Ich werde darüber nachdenken müssen, und vielleicht komme ich ja auch von selbst auf die Antwort. Wenn er meine Dienste haben will, warum läßt er sich auf dieses eine Jahr ein, wenn er sie doch uneingeschränkt haben könnte? Und wenn er sie nicht will, warum läßt er mich dann nicht draußen den Graben bewachen, wo er mich nicht jeden Tag zu sehen braucht? Es muß doch einen Grund dafür geben.« Sie kratzte sich am Kopf, und einige Schlangen begannen, warnend zu zischen.
    »Warum willst du ihn überhaupt heiraten?« fragte Grundy. »Er ist doch so ein gnomiger alter Gnom, nicht eben ein Ausstellungsstück für eine Frau, schon gar nicht für eine so schöne.«
    »Wer hat denn gesagt, daß ich ihn heiraten will?«
    Grundy schaltete sehr spät, was bei ihm äußerst selten vorkam. »Du hast doch ausdrücklich… deine Frage –«
    »Die dient nur zur Information, Golem. Wenn ich erst einmal weiß, ob er mich heiraten würde, dann kann ich mich auch entscheiden, ob ich es tun soll oder nicht. Es

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