Zauber-Schloss
wahrgenommen hätte. Das Wasser gab ihm eine eindeutige Antwort, als er es befragte. Das Schloß lag jenseits des anderen Ufers, und es gab keinerlei bequeme Möglichkeit, den Fluß zu überqueren.
»Ich wünschte, ich wüßte, wie man diesen Fluß vernünftig überqueren könnte«, meinte Dor.
»Ich sorge schon dafür«, erwiderte der Ring an seinem Finger. »Laß mir nur ein bißchen Zeit. Letzte Nacht habe ich dich schließlich auch einschlafen lassen, nicht wahr? Du mußt nur etwas Geduld haben, weißt du!«
»Ich weiß«, sagte Dor mit einem halbherzigen Lächeln.
»Gnom ist schließlich auch nicht an einem Tag erbaut worden.«
»Ich könnte uns per Ballon hinüberbringen«, schlug Hüpfer vor.
»Das letzte Mal, als wir Ballon gefahren sind, hat der Hurra-Vogel uns erwischt«, sagte Dor. »Und wenn er das nicht getan hätte, dann wären wir vermutlich einfach aus Xanth hinausgetrieben worden. Das will ich nicht noch mal riskieren.«
»Beim Ballonfahren hängt man stark von der Gnade der Winde ab«, gab die Spinne zu. »Ich hatte ja ursprünglich vorgehabt, eine Ankerleine am Boden zu befestigen, damit wir nicht zu weit abgetrieben werden konnten. Aber ich muß zugeben, daß ich auch nicht mit dem großen Vogel gerechnet habe. Ich hatte irgendwie geglaubt, daß kein anderes Wesen genauso vergrößert worden wäre wie ich. Im nachhinein muß ich zugeben, daß das unklug von mir war. Ballonfahren ist wohl mehr etwas für Notfälle.«
»In meinem Dorf benutzen wir Boote, um Wasser zu überqueren«, meinte Millie. »Mit Zaubern, die die Wasserungeheuer abhalten.«
»Weißt du denn, wie man ein Boot macht?« schnatterte die Spinne. Die Frage war zwar an Millie gerichtet, aber das Netz auf Dors Schulter übersetzte sie trotzdem. Unbelebte Gegenstände neigten immer dazu, etwas mehr Entgegenkommen zu zeigen, wenn sie erst einmal eine Weile mit ihm zusammen gewesen waren.
»Nein«, sagte sie. »Ich bin schließlich eine Maid.«
Taten Maiden denn überhaupt nichts Nützliches? Vielleicht wollte sie ja auch nur damit ausdrücken, daß sie sich mit Männersachen nicht so gut auskannte. »Kennst du denn irgendwelche Zauber gegen Wasserungeheuer?« fragte Dor sie.
»Nein, die kann nur unser Dorf-Ungeheuerzauberer. Das ist sein Talent.«
Dor wechselte Blicke mit mehreren von Hüpfers Augen. Das Mädchen war zwar nett, aber eine allzugroße Hilfe stellte sie nicht gerade dar.
»Ich kann mir vorstellen, daß dein Schwert Wasserraubtieren eine Menge Mut nehmen dürfte«, schnatterte Hüpfer. »Ich könnte ihre Gliedmaßen mit Seide umspinnen und fesseln, dann sind sie wehrlos gegen deine scharfe Klinge.«
Dor war zwar nicht sonderlich erpicht darauf, sich mit Wasserungeheuern herumschlagen zu müssen, aber er mußte zugeben, daß der Vorschlag der Spinne vernünftig war. »Bis auf das Boot. Das brauchen wir trotzdem«, wandte er – beinahe erleichtert – ein.
»Ich glaube, ich könnte ein Gefährt aus Seide machen«, schnatterte Hüpfer. »Manchmal kann ich nämlich sogar auf dem Wasser laufen, wenn die Oberfläche ruhig ist. Ich könnte das Boot auf die andere Seite ziehen.«
»Warum gehst du nicht einfach ans andere Ufer und spannst eines deiner Seile?« fragte Millie. »Dann könntest du uns hinüberziehen, genau wie du uns letzte Nacht den Baum emporgezogen hast.«
»Ausgezeichneter Plan!« stimmte die Spinne ihr zu. »Wenn ich nur unbemerkt auf die andere Seite kommen könnte –«
»Vielleicht sollten wir irgendeine Ablenkung schaffen«, schlug Dor vor. »Damit man dich nicht bemerkt.«
Sie besprachen alle Einzelheiten, dann machten sie sich ans Werk. Sie sammelten zahlreiche Stöcke und Steine ein, mit denen Dor sich unterhalten konnte, um eine Ablenkung zu schaffen; dann entdeckten sie auch noch ein paar Stinkkäfer, die, so hofften sie, eine weitere Ablenkung darstellen würden. Wenn man sie sanft anfaßte, dann rochen Stinkkäfer gar nicht so schlimm, aber wenn man sie mißhandelte, dann zerplatzten sie vor Gestank. Hüpfer knüpfte mehrere starke Seile aus Seide, befestigte eins davon an einem überhängenden Baum und ließ ihnen die anderen als Wurfseile zurück.
Als alles bereit war, machte sich Hüpfer auf den Weg übers Wasser. Seine acht Füße drückten die Oberfläche zwar ein, brachen aber nicht durch. Er war sogar sehr schnell und schlitterte geradezu über das Wasser. Doch nur zu bald zeigten sich hinter ihm einige Wellenkämme. Eine große häßliche Schnauze durchbrach die
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