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Zauber-Schloss

Titel: Zauber-Schloss Kostenlos Bücher Online Lesen
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während Hüpfer am anderen Ende zerrte. Die Spinne konnte eine ganze Menge Kraft aufbringen, wenn sie ihre acht Beine als Stützen benutzte. Schon bald spannte sich das Seil über den Fluß, von Baum zu Baum, und hing nur in der Mitte geringfügig durch, soweit Dor das überblicken konnte. Verglichen mit Hüpfers gewöhnlichen Leinen war dieses Seil ziemlich dick, und doch verloren sich auch seine Umrisse schnell in der Ferne, so daß es nur schwer auszumachen war.
    »Jetzt können wir uns an unseren Händen hinüberhangeln«, sagte Dor.
    Doch dann fragte er sich: Können wir das wirklich?
    »Du vielleicht«, erwiderte Millie. »Du bist ein großer, starker tapferer Mann. Aber ich bin nur eine schüchterne, schwache kleine Maid. Ich könnte niemals –«
    Wenn sie wüßte, wer Dor in Wirklichkeit war! »Also schön, dann werde ich dich eben tragen.« Dor hob sie auf, setzte sie in den Baum am Ende des Seils und machte einen Klimmzug mit seinen mächtigen Sehnen. Er setzte die Stiefel auf das Seil, fand sein Gleichgewicht und hob Millie auf die Arme.
    »Was hast du vor?« rief sie bestürzt. Sie begann mit den Beinen zu strampeln. Wieder merkte Dor, wie zierlich ihre Füße waren und wie allerliebst sie zu strampeln wußten. Tritte zu verteilen war eine Kunst, und die beherrschte sie. Die Beine mußten dabei in den Knien einknicken, und die Füße mußten gerade so schnell schwingen, daß die Beine noch deutlich zu erkennen waren. »Du kannst doch unmöglich das Gleichgewicht halten.«
    »Ach ja?« fragte er. »Na, dann werden wir wohl in den Fluß fallen und müssen doch noch schwimmen.« Er machte einen ausbalancierenden Schritt nach vorne.
    »Bist du verrückt?« fragte sie entsetzt. Und bei sich wiederholte er: Bin ich verrückt? Er wußte doch, daß eine solche Balance ein Ding der Unmöglichkeit war, wenn man nicht magisch unterstützt wurde – und doch war sein Körper gerade dabei, das glatte Gegenteil zu beweisen.
    Was besaß dieser barbarische Körper doch nur für einen Gleichgewichtssinn! Kein Wunder, daß die mundanischen Wellen Xanth immer wieder erobert hatten, trotz all der magischen Kräfte, die sich ihnen entgegenzustellen versucht hatten.
    Millie hörte mit dem Strampeln auf, weil sie fürchtete, daß er sein Gleichgewicht verlieren könnte. Dor staunte über sich selbst, während er das Seil entlangschritt. Wenn er die Fähigkeiten seines Körpers bereits vorher richtig einzuschätzen gewußt hätte, dann hätte er sich viel weniger vor großen Höhen gefürchtet. Er stellte fest, daß ein großer Teil seiner Sorgen nicht angeboren, sondern ein Produkt seiner körperlichen Schwäche waren. Wenn er Vertrauen hatte, dann verschwand auch die Furcht. In diesem Sinne machte ihn der Körper eines Mannes also auch geistig zu einem solchen.
    Dann gab es wieder Ärger. Aus dem Wald flatterten große, häßliche Gestalten herbei, um über den Fluß zu schweben. Sie waren zu massig für Vögel, sie hatten mannsgroße Köpfe.
    Es dauerte nicht lange, da hatte der bizarre Schwarm die beiden Gestalten auf dem Seil entdeckt. »Hiii!« rief eine von ihnen, dann stürzten sie sich bereits auf Dor.
    »Harpyien!« rief Millie. »Jetzt sind wir erledigt!«
    Dor wollte sein Schwert ergreifen, doch das konnte er nicht, da er das Mädchen in seinen Armen trug. Die Flußungeheuer hielten sich in einem sicheren Abstand. Sie waren zu vorsichtig, sich diesem überragenden Mann zu nähern, solange er auf beiden Beinen stand, aber es konnte durchaus sein, daß sie es sich noch einmal anders überlegten, wenn er ins Wasser stürzen sollte – und das würde bald der Fall sein, wenn er nach seinem Schwert greifen, Millie fallenlassen und das Gleichgewicht verlieren sollte. Er war hilflos.
    Die Harpyien wagten sich immer näher an sie heran, und ihre schmutzigen Flügel verbreiteten beim Flattern einen üblen Geruch. Das waren wirklich schmutzige Vögel! Es waren fettige Flugwesen mit Frauenköpfen und -brüsten. Es waren keine hübschen Gesichter und Brüste wie die von Millie, sie hatten vielmehr einen hexenhaften Gesichtsausdruck und bizarre Zitzen. Ihre Stimmen waren heiser und rauh, und an ihren Vogelbeinen befanden sich große, häßliche Krallen.
    »Was für ein Fang, Schwestern!« kreischte die Anführerin der Harpyien. »Holt sie euch! Holt sie euch!«
    Der Schwarm stürzte kreischend hinab, und ein halbes Dutzend der stinkenden Wesen griff mit ihren Klauen nach Millie. Die schrie lauthals, strampelte und warf ihre

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