Zauber-Suche
hatten sie Schloß Roogna verlassen, als die feindselige Magie sich auch schon bemerkbar machte. Die meisten Pfade waren auf Befehl des Königs verzaubert worden, so daß keinem Reisenden Gefahr drohte, der auf ihnen blieb. Doch der Gute Magier Humfrey hatte noch nie allzu großen Wert auf Gesellschaft gelegt; deshalb gab es keinen Weg, der direkt zu seinem Schloß führte. Magisch gesehen, führten alle Pfade von seinem Schloß fort. Deshalb war die Strecke nicht gesichert.
Glücklicherweise ermöglichte Crombies Talent der Richtungsfindung es ihnen, stets den richtigen Weg zu wählen. In regelmäßigen Abständen machte der Soldat eine Pause, streckte einen Flügel aus, wirbelte um seine eigene Achse, und wenn er innehielt, zeigte er in eine ganz bestimmte Richtung. Sein Orientierungssinn irrte niemals. Leider scherte er sich aber auch nicht um die Unannehmlichkeiten, die mit Reisen in Vogelfluglinie verbunden waren.
Als erstes begegneten sie einem Haufen Glockenblumen. Die Stengel der Pflanzen reckten sich empor, und ihre Glocken läuteten unentwegt. Der Lärm wurde immer lauter, ohrenbetäubender – und schließlich auch verwirrender. »Wir müssen hier raus!« rief Bink, doch er wußte, daß man ihn in dem Getöse nicht verstehen konnte. Chester hatte die Hände auf die Ohren gelegt und schlug mit den Hinterhufen aus – doch für jede Glocke, die er zertrümmerte, läuteten zwölf neue um so lauter.
Crombie breitete die Schwingen aus und flatterte wild. Bink dachte erst, daß er davonfliegen wollte, doch der Greif schlug alle vier Krallenpranken in die Schlingpflanzen und riß sie empor. Die Pflanzen streckten sich, und die Glocken klangen schriller, bis sie plötzlich verstummten. Die Spannung verhinderte, daß sie frei hin und her schwangen, so daß sie nicht richtig läuten konnten.
Bink und Chester nutzten die Gelegenheit und kletterten aus dem Gestrüpp. Dann ließ Crombie los und flog davon, außer Reichweite der Glocken. Sie waren wieder frei, aber es war eine Warnung gewesen. Sie konnten nicht einfach drauflos marschieren wie auf den königlichen Verkehrswegen.
So schritten sie weiter und umgingen die Gewirrbäume sowie freiliegende Schlinggewächse. Crombie befragte sein Talent nun auch nach der nächstgelegenen Gefahr. Manchmal mußten sie scheinbar harmlose Orte umgehen und sich ihren Weg durch Juckkraut und Rutschtorf bahnen. Doch sie vertrauten auf Crombies Talent. Besser jucken und rutschen als einen ruhmlosen Tod zu erleiden!
Nun, da sie mitten drin waren, schien das Abenteuer nicht mehr halb so aufregend zu sein. Wenn man in der Bequemlichkeit des Heims oder Palastes darüber nachdachte, vergaß man allzu oft, daß Abenteuer mit zahllosen schmierigen kleinen Einzelheiten und Unannehmlichkeiten verbunden waren. Binks Schenkel waren bereits vom Reiten wundgescheuert, und er schwitzte höchst ungemütlich.
Als sie hungrig wurden, zeigte Crombie auf einen Limonadenbaum, der auf einem Fleckchen Zuckersand wuchs. Chester nahm einen spitzen Stein und schlug ein Zapfloch in den Stamm, damit sie die hervorschäumende Limonade trinken konnten. Die Flüssigkeit sah zunächst wie Blut aus, was ein Schock war, bis sie merkten, daß es sich um Erdbeerlimonade handelte. Der Zuckersand war so süß, daß man davon immer nur ein bißchen auf einmal essen konnte. Crombie zeigte auf einen Brotfruchtbaum, und das war schon viel besser. Die Laibe waren gerade reif geworden, so daß sie beim Brechen warm dampften, und schmeckten vorzüglich.
Doch kaum fühlten sie sich wieder sicher, wurden sie von der nächsten Gefahr heimgesucht. Crombies Talent funktionierte nur, wenn es befragt wurde, es handelte sich also nicht um ein automatisches Warnsystem. Diesmal bestand die Bedrohung aus einem hungrigen, feuerspeienden Landdrachen mittlerer Größe – ungefähr der schlimmste Gegner außer einem großen Drachen, dem man in Xanth begegnen konnte. Diese Ungeheuer waren die Herren der Wildnis und dienten als Maßstab, an dem alle Heimtücke gemessen wurde. Wären sie einem großen Drachen begegnet, so wären sie verloren gewesen. Doch so hatten ein Mensch, ein Zentaur und ein Greif eine gewisse Chance, einen Kampf zu gewinnen. Doch warum war dieser Drache auf sie losgegangen? Normalerweise griffen Drachen weder Menschen noch Zentauren an. Sie kämpften zwar gegen sie, doch nur, wenn es sich nicht vermeiden ließ. Denn obwohl Drachen die Herren der Wildnis waren, waren Menschen und Zentauren so zahlreich, gut
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