Zauberhafte Versuchung
Museum, dass ich mir unbedingt die neuen Ausstellungsstücke ansehen möchte«, verkündete sie eine Spur zu laut. Besonders subtil war das nicht.
Fielding passte sich ihren Schritten an und bot ihr seinen Arm an. Nachdem sie sich einen Moment lang in die Augen geschaut hatten, hakte sich Esme zögernd bei ihm ein. Sie betraten das Museum durch den Eingang am Montague Place und gingen langsam durch die Eingangshalle.
Sie hatten sie zur Hälfte durchquert, als Fielding seinen Namen hörte.
»Oh, Mr. Grey!«
Es war James Silsbee, einer seiner früheren Kunden, wie Fielding erkannte, nachdem er sich überrascht umgeschaut hatte. Der ältere Herr stützte sich auf seinen Gehstock und hielt seinen Hut an die Brust gedrückt.
»Mr. Silsbee«, sagte Fielding. »Wie schön, Sie wiederzusehen. Erlauben Sie mir, Ihnen Miss Worthington vorzustellen.«
Der Mann nickte Esme zu. »Sie haben zweifellos den Besten engagiert, Madam. Unser Mr. Grey hier hat die großartige Bibliothek Alexandrias ausgegraben.« Silsbees Augen glitzerten, als er lächelte.
Esme starrte Fielding verblüfft an. »Du hast die Bibliothek gefunden? Die Bibliothek?«, fragte sie mit viel zu lauter Stimme.
Fielding drückte beschwichtigend ihren Arm. »Mr. Silsbee hatte mich mit umfassenden Informationen versorgt; ich habe nur die Lücken gefüllt und die eigentlichen Ausgrabungen vorgenommen.«
»Wo hast du sie gefunden?« Esme schüttelte fassungslos den Kopf.
»Unter dem Tempel der Isis«, erwiderte er schlicht. »Ich fürchte, wir sind ein bisschen in Eile«, sagte er dann entschuldigend zu Silsbee.
»Oh, gewiss, das Museum schließt ja bald. Vielleicht melde ich mich bald wieder bei Ihnen«, sagte der ältere Herr. »Ich glaube nämlich, dass ich einen Hinweis auf die verlorenen Schriften Homers gefunden habe.«
»Tun Sie das, Mr. Silsbee«, sagte Fielding und zog Esme mit sich weiter. »Hier entlang.«
»Ich kann es nicht glauben, Fielding«, sagte sie. »Welche anderen Schätze hast du noch gefunden? Als du gesagt hast, dass man dich engagiert, um Antiquitäten aufzuspüren, dachte ich an Dinge wie Tonkrüge und dergleichen. Oder vielleicht hin und wieder auch ein goldenes Gefäß oder ein juwelenbesetztes Schwert. Aber das ...« Ihr fehlten die Worte, und sie verstummte.
Ihre fast ehrfürchtige Bewunderung bereitete Fielding Unbehagen. Er ließ ihren Arm sinken und griff wieder in seinen Rock, um auf seine Uhr zu sehen. »Wir können ein andermal darüber reden«, sagte er. »Im Moment haben wir Wichtigeres zu tun.«
Und damit ging er auch schon zu einem der Museumswärter und zeigte ihm eine Karte.
»Wo gehen wir hin?«, flüsterte Esme.
»In den Leseraum.«
Der Wärter trat beiseite, um sie vorbeizulassen, und kurz darauf betraten sie den beeindruckenden Lesesaal. Vom Boden bis zum kuppelförmigen Dach hoch über ihren Köpfen bedeckten eines ums andere mit Büchern gefüllte Regale die Wände des riesigen Raumes.
Esme holte hörbar Luft, und ihre Hand glitt unwillkürlich zu der Kette um ihren Hals.
Ihre offensichtliche Begeisterung erfreute Fielding. »Ich dachte mir, dass du den Lesesaal gern sehen würdest.« Um nicht der Versuchung zu erliegen, ihr das Lächeln von den schönen Lippen zu küssen, entfernte sich Fielding einen Schritt weit von ihr.
»Ich war noch nie hier drinnen, weil sie mit den Ausweisen nicht sehr großzügig sind«, sagte sie andächtig, ohne den Blick auch nur sekundenlang von den unzähligen Bücherregalen abzuwenden. »Ich wollte einen solchen Ausweis schon einmal beantragen, aber dann dachte ich, dass sie einer alleinstehenden Frau wahrscheinlich ohnehin keine Genehmigung erteilen würden.«
Fielding hatte so etwas vermutet und sie deshalb hierhergeführt, bevor sie sich verstecken mussten. Esme war von dem Anblick all der Bücher so fasziniert, dass ihre Augen von einem Regal zum anderen huschten, während Fielding Mühe hatte, nicht sie anzustarren.
Ihre Leidenschaft für Bücher berührte irgendetwas tief in ihm. Es hatte einmal eine Zeit gegeben, auch wenn sie schon lange zurücklag, in der er sich für Bücher, für Geschichte und Abenteuer interessiert hatte. Doch dann hatten die Dinge sich geändert, und er hatte Verantwortung übernehmen und erwachsen werden müssen. Er hatte Geld verdienen müssen, um die Schulden seines Vaters abzuzahlen.
Esme ging auf eines der Regale zu und bückte sich, um die Titel zu lesen. Dann strich sie liebevoll mit der Hand über die Buchrücken, bevor sie zum
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