Zauberhafte Versuchung
nicht die Büchse übergebe.«
»Hat er dir wehgetan?« Fielding strich mit beiden Händen über ihre Arme, um sich zu überzeugen, dass sie unverletzt war.
»Nein. Meinst du, wir sollten das Haus des Marquis verlassen? Glaubst du, dass der Rabe uns dort ausfindig gemacht hat?«
Fielding schüttelte den Kopf. »Nein. Da wir sehr vorsichtig gewesen sind, ist das eher unwahrscheinlich. Außerdem hätte er sich längst bemerkbar gemacht oder etwas unternommen, hätte er uns gefunden.«
»Ich muss nach Thea sehen und mich überzeugen, dass mit ihr alles in Ordnung ist.« Esme rieb ihr Handgelenk, während sie sprach, und fuhr zusammen.
»Er hat dir doch wehgetan.«
»Ein bisschen. Er hat mich hier, wo der Armreif ist, am Handgelenk gepackt.« Sie schüttelte den Kopf und schenkte Fielding ein kleines Lächeln. »Es ist aber nur eine geringfügige Prellung.«
Fielding zog ihre Hand an seine Brust.
»Ich habe etwas Neues erfahren«, berichtete sie. »Du hattest recht damit, dass mindestens einer der Männer zu ihm zurückgekehrt ist, denn der Rabe wusste von den Armreifen. Ich habe versucht herauszufinden, welches der anderen Armbänder aus der Schatulle entfernt worden waren, und obwohl er mir nicht bewusst etwas Brauchbares verraten hat, so schien er doch nichts davon zu wissen, dass die Armreifen verflucht sind.«
»Wenn er von den Verwünschungen nichts wusste, warum will er dann die Büchse haben?« Bevor Esme ihre Vermutung äußern konnte, fuhr er fort: »Ich wette, dass nicht er, sondern irgendein Kunde es ist, der die Büchse der Pandora haben will.«
»Genau das sagte er. Hast du eine Ahnung, wer das sein könnte?«, fragte Esme.
»Nein, aber ich könnte mir vorstellen, dass die Liste potenzieller Käufer ziemlich lang ist.« Fielding hielt Esme fest, als sie um eine besonders scharfe Kurve bogen. »Allerdings könnte sich jetzt einiges geändert haben. Wenn er glaubt, dass die Büchse wirklich Macht besitzt, wird er zumindest einen weitaus höheren Preis dafür verlangen. Wahrscheinlich wird er sogar beschließen, dass es das Beste für ihn ist, die Büchse zu behalten.«
»Genau das habe ich auch gedacht«, pflichtete ihm Esme bei. »Die schlechte Nachricht ist, dass er vor nichts haltmachen wird, bis er sie hat. Falls er die Büchse für sich selbst will.«
»Du wirst sie ihm aber doch nicht überlassen?«
»Bestimmt nicht kampflos«, entgegnete Fielding grimmig.
»Und du wirst Thea und mich beschützen«, sagte Esme entschieden. »Du wirst alles tun, was nötig ist, damit uns nichts geschieht.«
Du lieber Gott, dachte Fielding, es wird höchste Zeit, dass sie die Wahrheit über mich erfährt. Höchste Zeit, dass sie aufhört, mich als eine Art edlen Ritter zu sehen, der dazu auserkoren ist, sie aus ihrer Not zu retten. Heute Abend hatte er ihr auf jeden Fall das Gegenteil bewiesen. Er wusste nicht einmal, warum er sein Geheimnis so lange für sich behalten hatte. Vielleicht, weil er irgendwie gehofft hatte, dass seine Familienverhältnisse keine Rolle spielten und er eines Tages der Mann sein konnte, für den ihn Esme hielt.
Wenn ihr Fluch doch durch seine Beichte aufgehoben werden könnte!
»Du solltest dich nicht blind darauf verlassen, dass ich dich beschütze«, begann
er.
»Was redest du ...«
»Hat der Rabe dir Angst gemacht?«, unterbrach er sie. »Oh ja. Sehr sogar.«
»Dann solltest du eines wissen, Esme: Das Blut dieses Mannes, des Mannes, den du so fürchtest, fließt auch in meinen Adern. Der Rabe ist mein Onkel.«
Dieses E-Book wurde von der "Osiandersche Buchhandlung GmbH" generiert. ©2012
16. Kapitel
D u bist der Neffe des Raben?« Esme war nicht sicher, ob sie sich verhört hatte.
»So ist es«, bestätigte Fielding mit klarer und ein wenig trotzig klingender Stimme.
»Und wieso bist du nicht schon eher auf die Idee gekommen, mir das zu sagen?« Die Kutsche hatte inzwischen angehalten, aber Esme war auf ihrem Platz sitzen geblieben. Sie glaubte, einen Anflug von Bedauern über Fieldings Gesicht huschen zu sehen, aber eine Entschuldigung bekam sie nicht von ihm zu hören.
»Geh ins Haus und sieh nach deiner Tante. Wir können später darüber reden.« Eine unüberhörbare Erschöpfung schwang in seiner Stimme mit.
Im Hause des Marquis eilte Esme die Treppe hinauf und ging zu Theas Zimmer. Esme vermutete, dass ihre Tante bereits schlief, dennoch gab sie sich keine Mühe, leise zu sein, als sie die Schlafzimmertür öffnete. Der Gedanke, dass der Rabe mit seiner
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