Zauberhafte Versuchung
attraktive Erscheinung mehr als ihr strahlendes Lächeln.
»Danke«, flüsterte Esme Max zu.
Er schüttelte den Kopf. »Das war nicht mein Werk.« Nach einem letzten Blick auf Thea und Albert reichte der Marquis Esme den Arm. »Darf ich Sie zu Tisch führen?«
»Sehr gern.« Esme konnte kaum die Augen von Thea lassen, nicht einmal, als Max sie einigen der Gäste vorstellte.
Fielding hatte das für sie getan. Er hatte ihre Sorge um Theas Sicherheit ernst genommen und sich die Mühe gemacht, Albert Moore zu finden. Vielleicht war das sein Versöhnungsgeschenk, weil er ohne Esmes Wissen ihre Schwester aufgesucht hatte.
Und als sie sah, wie Theas Augen an Alberts Lippen hingen, und sie die Freundin wie ein junges Mädchen kichern hörte, wünschte sich Esme nichts mehr, als dass Fielding hier wäre und sie sich bei ihm bedanken könnte.
Max führte Esme in den Speisesaal und bot ihr einen Platz an seinem Ende der Tafel an. Sie saß zwischen zwei Herren, die sie nicht kannte. Sie lächelte sie freundlich an, machte aber keinen Versuch, sich mit ihnen zu unterhalten. Dann wurde der erste Gang serviert, und Esme widmete sich der köstlich schmeckenden Fischsuppe.
»Miss Worthington«, sprach sie der junge Mann neben ihr an, als sie gerade ein wunderbar zartes Stückchen Kabeljau probierte, »Lord Lindberg sagte mir, Sie und Ihre Tante seien nur zu einem kurzen Besuch in London. Wie gefällt es Ihnen hier?«
Esme sah Max' Augenzwinkern, bevor sie die Frage des Mannes beantwortete. Offenbar war der Marquis so fürsorglich gewesen, sich eine plausible Erklärung für ihre Anwesenheit auszudenken. »Ich finde alles ziemlich aufregend, muss ich gestehen. Ich bin kaum zu Atem gekommen bei all den Unternehmungen.« Und das war nicht einmal gelogen. »Es kommt mir wie eine Ewigkeit vor, seit ich zuletzt im Freien war.«
»Als leidenschaftlicher Kricketspieler halte ich mich sehr häufig draußen auf«, erwiderte ihr Tischnachbar. Er war ein etwas farblos aussehender Mann mit sandfarbenem Haar und blasser Haut. Esme bezweifelte ernstlich, dass er überhaupt jemals im Freien war.
Mit einem höflichen Lächeln wandte sie sich wieder ihrer Suppe zu. Sie hatte jedoch kaum einen Löffel zu Mund geführt, als der Mann, der ihr gegenübersaß, ihr ein breites Lächeln schenkte.
»Haben Sie schon einmal von Darwins Ursprung der Arten gehört, Miss Worthington?«, fragte er. Der untersetzte Mann war ungefähr in ihrem Alter und hatte rötliche, sommersprossige Wangen und schmutzig braunes Haar. Er trug einen ins Violette spielenden Rock mit einem breiten Samtkragen und erinnerte Esme an ein Porträt, das sie von dem neuerdings sehr populären Schriftsteller Oscar Wilde gesehen hatte.
»Selbstverständlich«, antwortete sie. »Ich bin sehr belesen, Sir.«
Er nickte, ohne auf ihre Bemerkung einzugehen. »Obwohl Darwin sich weigert, die Affäre anzuerkennen«, begann der Mann, »hatten er und meine Mutter eine leidenschaftliches Verhältnis miteinander. Und ich-« er zeigte mit beiden Händen auf sich - »bin das Produkt ihrer Verbindung.«
Fast hätte Esme ihre Suppe wieder ausgespuckt, aber sie nahm sich noch rechtzeitig zusammen und verbarg ihr Husten hinter ihrer Serviette. »Ach ja? Wie interessant.«
Und was für eine geschmacklose Eröffnung einer Unterhaltung! Man sollte es wirklich nicht für möglich halten, dass die Leute sie bei ihren früheren Gesellschaften für ungezogen gehalten hatten. Esme suchte wieder Max' Blick, aber der Marquis unterhielt sich mit der älteren Dame neben ihm. Sein vielsagendes Lächeln ließ bei Esme die Frage aufkommen, ob er sie nicht mit voller Absicht zwischen diesen beiden Dummköpfen platziert hatte.
»Sie spielen Kricket, sagten Sie?«, fragte der dicke Mann den blassen. »Ich wage zu behaupten, dass auch ich ein ziemlich guter Spieler bin.«
»Tatsächlich?«, antwortete der blasse Mann.
Aber Esme hörte schon nicht mehr zu, sondern beobachtete wieder ihre Tante, die in ein lebhaftes Gespräch mit Albert Moore vertieft war. Die beiden waren so voneinander in Anspruch genommen, dass sie alles um sich herum vergessen zu haben schienen. Esme spürte, dass ihr die Kehle eng wurde.
Vielleicht bedeutete es nichts weiter, aber was Esme betraf, so hätte sich Fielding keine schönere Geste einfallen lassen können. Er mochte ihr zwar immer widersprechen und stur darauf beharren, er sei kein Held, aber Esme wusste es besser. Sie wusste, dass es keinen anständigeren, großherzigeren Mann
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