Zauberhafte Versuchung
es bei ihnen beiden nicht nur um gegenseitiges Begehren. Was die an sich schon schwierige Situation noch komplizierter machte, waren die außergewöhnlichen Umstände, die sie und Fielding zusammengeführt hatten. Da waren diese uralten Flüche und das Todesurteil, das über ihr schwebte, da war das Verlangen nach ihm, das so stark war, dass es ihr den Atem raubte.
»Willst du damit sagen, ich soll Fieldings Geliebte werden?«, fragte Esme.
Thea hielt dabei inne, ihren Schmuck abzulegen. »Nein, das nicht. Ich habe an etwas Dauerhafteres gedacht.«
»Etwa an eine Ehe?«, fragte Esme, ohne den mutlosen Klang in ihrer Stimme verbergen zu können.
»Warum denn nicht? Ist dir dieser Gedanke denn noch nie gekommen? Ich habe doch gesehen, wie du ihn anschaust«, erklärte ihre Tante mit einem vielsagenden Lächeln.
Die Wahrheit war, dass Esme in der Tat noch nicht daran gedacht hatte; sie hatte es sich einfach nicht erlaubt. Die Gefühle, die Fielding in ihr weckte - nicht nur das körperliche Verlangen, sondern auch die tief empfundene Sehnsucht nach einer eigenen Familie -, waren gefährlich, und sie hatte sich redlich bemüht, sie immer wieder zu unterdrücken.
»Was sollte dagegen sprechen, dass du ihn heiratest?«, fuhr ihre Tante fort. »Ihr passt doch gut zueinander, und recht zugetan scheint er dir auch zu sein.«
Zuneigung war gut und schön, aber würde das genügen? Natürlich fehlte es nicht an sinnlichem Begehren. Esme hatte Fieldings leidenschaftliches Verlangen nach ihr gespürt, daran, wie er sie geküsst und gestreichelt hatte. Schon wenn sie nur daran dachte, begann es in ihr zu prickeln.
»Und wie könnte das auch anders sein?«, setzte Thea hinzu. »Immerhin bist du das charmanteste Mädchen in ganz London.«
Esme schnaubte undamenhaft. »Was das Charmantsein angeht, würden dir einige Leute vielleicht sogar zustimmen. Aber ein Mädchen würde mich niemand nennen. Über das richtige Heiratsalter bin ich längst hinaus.«
»Unsinn.« Thea wandte Esme den Rücken zu und zeigte auf die Knöpfe am Rücken ihres Kleides. Esme machte sich daran, sie zu öffnen. »In der Times findest du Heiratsanzeigen von Frauen, die doppelt so alt sind wie du.«
»Nachdem sie wahrscheinlich Ehemann Nummer eins und vielleicht auch Nummer zwei unter die Erde gebracht haben«, spöttelte Esme und klopfte ihrer Tante auf den Rücken, zum Zeichen, dass sie fertig war.
Thea stieg aus ihrem Kleid. »Du hast auch immer auf alles eine Antwort, Kind. Hör auf deine alte Tante: Ich weiß, was Liebe ist, wenn ich sie sehe. Und es wäre unverzeihlich dumm von dir, ihr aus dem Weg zu gehen, wenn sie schon zum Greifen nahe ist.«
Fielding starrte den Mann hinter dem großen Schreibtisch grimmig an. Jensen griff nach dem Glas mit der bernsteinfarbenen Flüssigkeit, das vor ihm stand, und trank einen Schluck daraus. »Möchten Sie auch einen Brandy?«
Fielding rieb sich den verspannten Nacken. »Nein.«
»Sie können sich auch gerne setzen«, meinte Jensen.
»Woher wussten Sie ...«
»Dass Sie kommen würden?«, unterbrach ihn Jensen. »Ich wusste es nicht. Ich war hergekommen, um Mitgliedschaftsempfehlungen durchzusehen.« Er bückte sich, zog ein dickes, ledergebundenes Buch aus einer Schublade und legte es auf den Tisch. »Aber ich glaube, ich weiß, warum Sie hier sind.«
Fielding setzte sich. »Ich will wissen, wer bei meinem Vater war.«
»An dem Tag des Höhleneinsturzes?«
»Ja. Ich weiß, dass zwei Männer meinen Vater begleitet haben. Zwei Mitglieder von Solomon's. Aber wir haben nie erfahren, wer sie waren.«
Jensen nickte, schlug das Buch auf und blätterte die Seiten um. »Da ist es.« Er drehte das Buch um und schob es Fielding zu. »Hier«, sagte er und zeigte auf einen Abschnitt auf der linken Seite.
In verschnörkelter Schrift waren dort alle Unternehmungen seines Vaters festgehalten. Seine ersten Nachforschungen hatten das Ziel gehabt, den Schatz der Tempelritter ausfindig zu machen. Der letzte Eintrag war vom 4. September 1873 und beschrieb die Expedition zum Hadrianswall. Neben dem Namen seines Vaters waren die seiner beiden Begleiter auf dieser Reise aufgeführt: William Higgingsworth und Stephen Piper.
»Wie Sie schon wissen, stürzte die Decke der Höhle ein«, sagte Jensen. »William und Stephen taten alles in ihrer Macht Stehende, um Ihren Vater herauszuziehen. Als sie ihn schließlich bergen konnten, war er bereits tot. Es kann als sicher angenommen werden, dass er von einem der Felsbrocken
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