Zauberschiffe 01 - Der Ring der Händler
umsehen muss.«
»Oh. Nun, gut für dich. Dann gute Nacht. Ich bin todmüde.«
»Gute Nacht, Brashen. Schlaf gut.«
Kurz darauf betrat Brashen die Kapitänskajüte. Und eine Weile später fühlte Paragon, wie sich Althea streckte. Sie versuchte sich ruhig zu bewegen, aber sie konnte sich vor dem Schiff natürlich nicht verstecken. Als sie schließlich die Luke der Heckkajüte erreichte, in der Brashen seine Hängematte befestigt hatte, blieb sie stehen. Sie klopfte vorsichtig an die holzgetäfelte Tür. »Brash?«, fragte sie behutsam.
»Was?«, antwortete er sofort. Er hatte nicht geschlafen, ja nicht einmal gedöst. Ob er gewartet hatte? Hatte er wissen können, dass sie zu ihm kommen würde?
Althea holte tief Luft. »Kann ich mit dir reden?«
»Worüber?«, brummte er missmutig. Es war offenbar eine vertraute Antwort, denn Althea ließ sich davon nicht abschrecken. Sie legte die Hand auf den Türgriff, zog sie aber wieder weg, ohne die Tür geöffnet zu haben. Sie lehnte sich dagegen und redete mit dem Mund am Holz weiter.
»Hast du eine Laterne oder eine Kerze?«
»Nein. Wolltest du darüber mit mir reden?«
Sein Ton wurde barscher.
»Nein. Aber ich sehe gern die Person, mit der ich mich unterhalte.«
»Warum? Du weißt doch, wie ich aussehe.«
»Du bist einfach unmöglich, wenn du betrunken bist.«
»Wenigstens bin ich nur so, wenn ich betrunken bin. Du bist die ganze Zeit unmöglich.«
Althea klang jetzt eindeutig verärgert. »Ich weiß gar nicht, warum ich überhaupt versuche, mit dir zu sprechen.«
»Dann sind wir ja schon zwei«, erwiderte Brashen leise, als spreche er mit sich selbst. Unwillkürlich drängte sich Paragon die Frage auf, ob die beiden eigentlich wussten, wie deutlich er all ihre Worte und Bewegungen mitbekam. War ihnen klar, dass er ein unsichtbarer Zuhörer war, oder glaubten sie wirklich, dass sie allein waren? Er vermutete, dass zumindest Brashen ihn mit einbezog.
Althea seufzte schwer und lehnte den Kopf gegen die getäfelte Tür. »Ich kann mit niemand anderem reden. Und ich muss wirklich… Sieh mal, darf ich nicht hereinkommen? Ich hasse es, durch die Tür mit dir zu sprechen.«
»Sie ist nicht verschlossen«, knurrte Brashen gereizt. Er rührte sich nicht aus seiner Hängematte.
Althea stieß die Tür auf. Unsicher blieb sie einen Moment in völliger Finsternis stehen und tastete sich dann durch den Raum.
Sie folgte der Wand und versuchte, auf dem schrägen Deck nicht zu stürzen. »Wo bist du?«
»Hier drüben. In einer Hängematte. Am besten, du setzt dich hin, bevor du fällst.«
Mehr Höflichkeiten bot er ihr nicht an. Althea setzte sich, stemmte ihre Füße gegen den geneigten Boden und lehnte den Kopf gegen eine Schottwand. Sie holte tief Luft. »Brashen, in den letzten zwei Tagen ist mein ganzes Leben auseinandergefallen. Ich weiß nicht, was ich tun soll.«
»Geh nach Hause«, sagte er ohne viel Mitgefühl. »Du weißt, dass du es irgendwann tun musst. Je länger du es aufschiebst, desto schwerer wird es. Also tue es jetzt.«
»Das ist leicht gesagt und schwer getan. Du solltest das wissen. Du bist niemals nach Hause gegangen.«
Brashen lachte bellend auf. »Ach nein? Ich habe es versucht. Sie haben mich einfach wieder rausgeworfen. Weil ich zu lange gewartet hatte. Da. Jetzt kriegst du einen guten Rat. Geh nach Hause zurück, solange du kannst, solange ein bisschen Kriecherei und demütiger Gehorsam dir noch einen Platz zum Schlafen und eine warme Mahlzeit einbringen. Wenn du zu lange wartest, fällst du in Ungnade; dann gewöhnt sich deine Familie an ein Leben ohne den Unruhestifter, und sie wollen dich gar nicht wiederhaben, ganz gleich, wie sehr du auch bittest und bettelst.«
Althea schwieg lange. »Das ist dir wirklich passiert?«, fragte sie schließlich.
»Nein. Ich sauge es mir aus den Fingern«, erwiderte Brashen gereizt.
»Tut mir leid«, sagte Althea nach einer Weile. Entschlossener fuhr sie fort: »Aber ich kann nicht zurückgehen. Jedenfalls nicht, solange Kyle im Haus ist. Und selbst wenn er weg ist, werde ich nur zurückgehen, um meine Sachen zu holen.«
Brashen drehte sich in seiner Hängematte um. »Du meinst deine Kleider und deinen Kram, ja? Die wertvollen Relikte deiner Kindheit, hm? Dein Schmusekissen?«
»Und meinen Schmuck. Wenn nötig, kann ich den immer noch verkaufen.«
Brashen ließ sich wieder in die Matte zurücksinken. »Warum machst du dir die Mühe? Du wirst feststellen, dass du das Zeug sowieso nicht mit dir
Weitere Kostenlose Bücher