Zauberschiffe 01 - Der Ring der Händler
seiner Abwesenheit zu stimmen.«
Keffria wurde plötzlich kalt, und sie fühlte sich einsam. Ganz gleich, wie sie es entschied, sie würde darunter leiden. Sie konnte nicht daran zweifeln, dass Kyle für die Sklaverei stimmen würde. Sie konnte seine logischen, rationalen Argumente beinahe hören, wenn er argumentierte, dass die Sklaverei in Bingtown ein angenehmeres Schicksal für die Sklaven bedeutete, als in Chalced zu dienen. Er würde sie überreden. Und wenn ihm das gelang, würde ihre Mutter jeden Respekt vor ihr verlieren. »Es ist doch nur eine Stimme im Händler-Konzil«, hörte sie sich schwächlich sagen. »Eine von sechsundfünfzig.«
»Sechsundfünfzig verbliebene alte Händlerfamilien«, stimmte ihre Mutter zu. Doch im nächsten Atemzug fuhr sie fort: »Und weißt du, wie viele Neuankömmlinge mittlerweile genug Leffer Land erworben haben, um eine Stimme im Bingtown-Konzil zu beanspruchen? Siebenundzwanzig. Du siehst schockiert aus.
Nun, mir ging es genauso. Offenbar siedeln sich Menschen im Süden von Bingtown an, nehmen unauffällig Land in Besitz, mit Schenkungsurkunden des neuen Satrap, und kommen dann nach Bingtown, um ihr Recht auf einen Sitz im Bingtown-Konzil zu beanspruchen. Das zweite Konzil, das wir geschaffen haben, damit die Drei-Schiffe-Immigranten auch einen Platz haben, um ihre eigenen Streitigkeiten untereinander zu lösen, und bei der Regierung von Bingtown mitreden können, wird jetzt gegen uns benutzt.
Und der Druck kommt nicht nur aus Bingtown. Chalced wirft gierige Blicke auf unseren Wohlstand. Sie haben schon mehr als einmal unsere nördliche Grenze in Frage stellt, und dieser dumme Junge von einem Satrap hat ohne die geringste Gegenwehr nachgegeben. Und das alles wegen der Geschenke, die sie ihm schicken. Frauen und Schmuck und diese Lustkräuter. Er wird sich nicht für Bingtown gegen Chalced einsetzen. Er wird nicht einmal Esclepius’ Versprechen an uns einhalten. Es gehen Gerüchte um, dass dieser neue Satrap Jamaillias Schatztruhen mit seiner Verschwendungssucht geleert hat und nun versucht, mehr Gold für seine Vergnügungen zu beschaffen, indem er Land an alle verleiht, die sich seine Gunst mit Geschenken oder Versprechungen erkaufen. Er gibt nicht nur Adligen aus Jamaillia Land, sondern auch seinen chalcedeanischen Höflingen. Also hast du vielleicht Recht mit dem, was du sagst, Keffria. Vielleicht reicht eine Stimme nicht, um die Veränderungen aufzuhalten, die Bingtown überrollen.«
Ihre Mutter stand langsam auf. Sie hatte nichts gegessen und nicht einmal einen Schluck Tee getrunken. Als sie zur Tür ging, seufzte sie. »Bald werden nicht einmal alle sechsundfünfzig Händlerstimmen zusammen ausreichen, um sich gegen den Willen dieser Woge von Neuankömmlingen durchzusetzen. Und wenn dieser neue Satrap Cosgo eines der Versprechen verletzt, die uns von Esclepius gegeben worden sind, warum sollte er dann die anderen achten? Wie lange wird es dauern, bis die Monopole, die uns verliehen wurden, auch anderen gewährt werden? Ich mag gar nicht daran denken, was hier alles geschehen wird. Es wird viel mehr bedeuten als nur das Ende unseres Lebensstils. Was solch gierige und unvorsichtige Menschen wie diese bewirken, wenn sie Handel auf dem Regenwildfluss treiben, mag ich mir gar nicht vorstellen.«
Einen schrecklichen Moment lang dachte Keffria an die Geburt ihres dritten Kindes zurück. Das heißt, an das dritte Mal, dass sie im Kindbett lag. Denn aus der langen Schwangerschaft und der mühsamen Geburt entspross kein Kind. Nur eine Kreatur, die ihre Mutter sie nicht sehen ließ, ein Etwas, das knurrte und grollte und wild um sich schlug, als Ronica es aus dem Zimmer trug. Kyle war auf See gewesen.
Aber ihr Vater war zu Hause, und ihm blieb es überlassen, das zu tun, was die Bürde der Händlerfamilien aus Bingtown war.
Niemand hatte hinterher davon gesprochen. Selbst als Kyle heimgekommen und die Wiege leer vorgefunden hatte, akzeptierte er es und behandelte sie sehr zärtlich. Nur einmal hatte er seitdem von ihrer »Totgeburt« geredet. Sie fragte sich, ob er das wirklich glaubte. Er war kein geborener Händler; vielleicht glaubte er nicht an den Preis, der gezahlt werden musste.
Vielleicht begriff er auch nicht ganz, was es bedeutete, wenn man in eine Händlerfamilie einheiratete. Möglicherweise verstand er einfach nicht, dass sie sich vor allem, was der Regenwildfluss herunterspülte, schützen mussten und gleichzeitig davon profitierten.
Einen kurzen Moment
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