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Zauberschiffe 01 - Der Ring der Händler

Titel: Zauberschiffe 01 - Der Ring der Händler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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bürstete ihm den gröbsten Schmutz weg.
    Anschließend polierte er sorgfältig mit einem Tuch nach.
    Danach goss er Wasser in eine Schale und reichte es Kennit.
    Der nahm das Tuch, das über dem Arm des Jungen hing, und wischte sich den Schweiß und den Staub von Gesicht und Händen. Danach blickte der Junge Kennit wortlos an, und der Piratenkapitän fühlte sich bemüßigt, dem Jungen einen anerkennenden Klaps auf seinen kahlrasierten Kopf zu geben.
    Der Junge grinste, eilte durch das Zimmer und hielt ihm die zweite Tür auf.
    Als die weiße Tür langsam aufging, wurde der Gesang lauter.
    Eine blonde Frau saß mit gekreuzten Beinen auf dem Boden und begleitete sich selbst auf drei kleinen Trommeln, während sie irgendeine Schnulze über ihren tapferen Liebsten zum Besten gab, der zur See gefahren war. Kennit würdigte sie kaum eines Blickes. Sie und ihr sentimentales Lied waren nicht das, was er hier suchte. Noch bevor er überhaupt eine Chance hatte, ungeduldig zu werden, war Bettel von ihrem gepolsterten Thronsessel aufgestanden und hatte sich bei dem Piraten untergehakt. »Kennit!«, rief sie laut mit gespielter Bestürzung. »Also seid Ihr doch endlich gekommen, Ihr ungezogener Mann! Die Marietta hat schon vor Stunden angelegt! Was hat Euch so lange aufgehalten?«
    Dieses Jahr hatte sie ihr schwarzes Haar mit Henna gefärbt, und ihr Parfüm hing so schwer an ihr wie ihre Juwelen. Ihre gewaltigen Brüste drängten gegen ihr Kleid, wie kleine Wellen, die gegen den Dollbord schlugen.
    Er ignorierte ihren Tadel, weil er wusste, dass sie ihm damit nur schmeicheln wollte, und aufgrund dieses Wissens ärgerte er sich über Bettels Worte. Natürlich erinnerte sie sich an ihn.
    Dafür bezahlte er sie schließlich. Er sah über ihren Kopf hinweg und ließ seinen Blick durch den geschmackvoll eingerichteten Raum gleiten. Er musterte die wenigen, gut aussehenden Frauen und Männer, die auf den gepolsterten Sofas und Diwans lagerten. Zwei Frauen lächelten ihn an. Sie waren offenbar neu. Die anderen wichen seinem Blick aus. Er richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf Bettel und unterbrach ihren Schwall von Komplimenten.
    »Ich sehe Etta nicht.«
    Bettel gab einen missbilligenden Laut von sich. »Glaubt Ihr denn, dass Ihr der einzige seid, der sie zu schätzen weiß? Sie konnte nicht ewig auf Euch warten. Wenn Ihr zu spät kommt, Meister Kennit, dann müsst Ihr…«
    »Hol sie und schick sie in die oberste Kammer. Warte. Sie soll erst baden, während ich esse. Schick mir ein gutes Essen hoch, mit frischem Brot. Weder Fisch noch Schweinefleisch. Den Rest überlasse ich Euch. Und der Wein, Bettel. Ich habe einen empfindlichen Gaumen. Kredenze mir bloß nicht wieder diesen vergorenen Traubensaft, den du mir letztes Mal zugemutet hast. Ansonsten setze ich meinen Fuß nicht mehr in dieses Haus.«
    »Meister Kennit, glaubt Ihr, dass ich einfach an eine Kammer klopfen und einem meiner anderen Stammgäste sagen kann, dass Etta woanders verlangt wird? Glaubt Ihr denn, dass Euer Gold mehr wert ist als das von anderen? Wenn Ihr zu spät kommt, dann müsst Ihr aus dem wählen…«
    Kennit achtete nicht weiter auf sie, als er die geschwungene Treppe in der Ecke des Zimmers hinaufging. Im ersten Stock blieb er einen Augenblick stehen. Die Geräusche erinnerten ihn an eine Wand, hinter der Ratten tobten. Er schnaubte angewidert, öffnete eine Tür zu einem finsteren Treppenhaus und ging die schmalen Stufen hinauf. Hier, unter dem Giebel, befand sich eine Kammer, die keine Wände mit anderen Zimmern teilte. Und von ihrem Fenster aus konnte man die Lagune überblicken. Aus Gewohnheit ging er zu diesem Aussichtspunkt. Die Marietta lag sicher vertäut am Pier, und eine einzelne Laterne beleuchtete ihr Deck. Dort schien alles in Ordnung zu sein.
    Er drehte sich um, als ein Diener an die Tür klopfte. »Herein«, befahl er mürrisch. Der Mann, der eintrat, war ziemlich schäbig angezogen. Auf seinem breiten Gesicht waren die Narben von vielen Kämpfen zu sehen, aber er bewegte sich mit lautloser Geschmeidigkeit, als er das Feuer in dem kleinen Kamin am anderen Ende des Zimmers entfachte. Außerdem zündete er auch noch zwei Kerzen für Kennit an. Ihr warmes Licht machte ihn deutlich, wie dunkel der Sommerabend geworden war. Er trat vom Fenster weg und setzte sich neben den Kamin auf einen gepolsterten Stuhl. Es war zwar noch warm, aber etwas in ihm sehnte sich nach dem süßlichen Duft des harzigen Holzes und dem tanzenden Licht der

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