Zauberschiffe 01 - Der Ring der Händler
widerte ihn an, er ekelte sich vor den Abwässern, denen er ausweichen musste, und er verachtete den Gestank und das Gelärme von Divvytown. Er wünschte, er könnte sich an dieser Welt und ihrer Dummheit rächen, indem er sie ganz und gar zerstörte. Und er wusste auch, dass es nicht die richtige Zeit für einen Handel war. Aber das interessierte ihn nicht. Die Händler von Divvytown zweigten einen so großen Anteil für sich selbst ab, dass sich kaum eine Zeit lohnte, mit ihnen zu verhandeln. Sie hatten viel bessere Gewinne erzielt, als sie ihre Waren in Chalced verkauft hatten. All die Beute, die sie zwischen Chalced und Divvytown machten, warf er diesen Geiern praktisch in den Rachen. In seiner Wut gab er die Seide zum halben Preis her. Aber als der Händler versuchte, auch beim Brandy und beim Cindin einen derart guten Handel abzuschließen, löste er Kennits eisigen Zorn aus. Es endete damit, dass er mehr bezahlte, als die Ware wert war, um Kennit davon abzuhalten, die ganze Fracht woanders zu verkaufen.
Der Handel wurde mit einem Nicken besiegelt, weil Kennit es verabscheute, dem Mann die Hand zu schütteln. Das Gold würde morgen bezahlt werden, wenn der Händler seine Träger schickte, um die Fracht zu entladen. Kennit verließ den Salon des Händlers, ohne ein weiteres Wort zu sagen.
Mittlerweile war es draußen Abend geworden. Das ausgelassene Geschrei aus den Tavernen wurde lauter, und das Summen der Insekten und das Quaken der Frösche aus den umliegenden Sümpfen und dem Brackwasser bildete einen vielstimmigen Hintergrundchor. Die einsetzende Kühle drangsalierte Kennits Nase mit einer neuen Orgie von Düften.
Der schmierige Schlamm der Straße zog geräuschvoll an seinen Stiefeln, während er weiterging. Er hielt sich wohlweislich mitten auf der Straße und mied die dunkleren Gassen und die Jäger, die dort lauerten. Die meisten waren so verzweifelt, dass sie jeden angriffen, der ihnen über den Weg lief. Unvermittelt, als habe er es einfach vergessen, fiel Kennit ein, dass er hungrig und durstig war. Und müde. Und traurig.
Die Woge der Wut war abgeebbt und hatte ihn müde und elend zurückgelassen. Verbittert versuchte er herauszufinden, wem er die Schuld an seiner Lage zuschieben konnte. Und es freute ihn nicht gerade, feststellen zu müssen, dass der Fehler, wie immer, sein eigener gewesen war. Er konnte niemanden sonst dafür verantwortlich machen und niemanden bestrafen. Ganz gleich, wie sehr er auch die Fehler bei sich auszumerzen suchte, es gab immer einen neuen, der an seine Stelle trat.
Beinahe automatisch hatte er den Weg zu Bettels Bordell eingeschlagen. Licht drang hinter den Läden der niedrigen Fenster hervor. Und drinnen ertönten leise Musik und der schrille Sopran einer Sängerin. Es gab vielleicht ein Dutzend Gebäude in Divvytown, die mehr als ein Stockwerk hatten.
Bettels Haus war eines davon. Mit seiner weißen Farbe, den winzigen Balkons und einem rotgedeckten Dach sah es so aus, als hätte man ein chalcedeanisches Freudenhaus genommen und es hier im Schlamm von Divvytown fallen lassen. Pflanzentöpfe auf den Stufen kämpften wacker gegen den Gestank an, und zwei Kupferlaternen leuchteten einladend an den Seiten der grüngolden gestrichenen Tür. Die beiden muskelbepackten Türsteher grinsten ihm erkennend zu. Kennit verabscheute sie dafür. Sie waren groß und dumm und lebten allein von ihren Muskeln. Sie dachten, das würde reichen. Er wusste es besser.
Er hätte sie gern am Hals gepackt und ihre grinsenden Gesichter aneinander geschlagen. Hätte gern gefühlt, wie ihre Schädel gegeneinander krachten und nachgaben, Knochen gegen Knochen. Er sehnte sich danach zu spüren, wie ihre Luftröhren unter seinem Griff zerkrümelten, hätte gern ihren letzten Atemzug gehört, der pfeifend durch ihre zerstörten Lungen pfiff.
Kennit lächelte sie an. Sie starrten zurück, und ihr Grinsen gefror zu einem unbehaglichen Ausdruck. Schließlich ließen sie ihn durch und wären beinahe zusammengezuckt, als sie die Tür freimachten, damit er eintreten konnte.
Die Türen des Bordells schwangen hinter ihm zu. Er stand in einem mit Teppichen ausgelegten Foyer mit gedämpftem gelbem Licht. Bettels vertrautes Parfüm hing in der Luft – und der rauchige, stechende Duft von verbranntem Cindin. Der Gesang und das stetige Trommeln waren hier lauter. Ein kleiner Dienstbursche stand vor ihm und deutete stumm auf seine schmutzigen Stiefel. Auf Kennits leichtes Nicken hin sprang er vor und
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