Zauberschiffe 01 - Der Ring der Händler
selbst verkauft hätten. Ein Weinhändler zahlt mehr für eine ganze Ladung Brandy, als ihr für einen einzelnen Krug bekommt, den ihr einem Wirt andrehen wollt. Die Seidenballen bringen weit mehr, wenn man sie alle an einen Händler verkauft, als wenn ihr einen Ballen zu einer Hure tragt.«
Er hielt inne. Die Männer auf Deck traten unruhig von einem Fuß auf den anderen. Kennit biss die Zähne zusammen. Immer wieder hatte er ihnen bewiesen, dass seine Art des Handelns profitabler war. Sie wussten es, und jeder einzelne seiner Leute würde das auch zugeben, aber in dem Moment, in dem sie am Hafen angelegt hatten, verließ sie jeder gesunde Menschenverstand. Er seufzte verärgert auf und drehte sich dann zu Sorcor um. »Die Liste mit unserer Beute, Maat Sorcor.«
Sorcor hatte sie zur Hand. Sorcor hatte immer alles zur Hand.
Er nahm die Rolle und rollte sie ab, als würde er davon ablesen. Aber Kennit wusste, dass er sich genau eingeprägt hatte, was sie erbeutet hatten. Der Mann konnte zwar nicht einmal seinen eigenen Namen lesen, aber wenn man ihn fragte, was jedes einzelne Mitglied der Mannschaft von den vierzig Ballen Seide bekommen sollte, dann konnte er es einem sofort sagen. Die Männer murmelten anerkennend, als die Liste der Beute vorgelesen wurde. Die Zuhälter und freien Huren, die sich am Hafen versammelt hatten, um seine Besatzung zu empfangen, schrien und pfiffen, während einige freie Mädchen bereits ihre Waren anpriesen. Die Männer bewegten sich wie angekettete Tiere, und ihre Blicke schossen von Sorcor und seiner Rolle zu all den Freuden, die sie auf dem Pier und den schlammigen Straßen erwarteten. Als Sorcor endete, musste er zweimal laut um Ruhe brüllen, bis Kennit sprechen konnte.
Als er es tat, redete er absichtlich besonders leise.
»Diejenigen, die einen Wechsel für den Gewinn wollen, den ihr Anteil bringt, sollen sich vor meiner Kabine aufstellen und einer nach dem anderen zu mir hereinkommen. Ihr anderen haltet auch an Sorcor.«
Er drehte sich um und ging in seine Kajüte. Es war das Beste, wenn Sorcor sich um die anderen kümmerte. Sie würden eben die Einschätzung des Maats akzeptieren müssen, was ein Drittel eines Seidenballens in der Währung von zwei Fünfteln eines Krugs mit Branntwein oder einem halben Maß Cindin wert war.
Wenn sie nicht die Geduld besaßen, ihren Anteil in Geld ausgezahlt zu bekommen, dann mussten sie das Äquivalent akzeptieren, das Sorcor für fair hielt. Bis jetzt hatte er noch kein Murren darüber gehört, wie der Maat die Beute aufteilte.
Entweder stellten sie, wie Kennit es tat, seine Ehrlichkeit gegenüber seinen Schiffskameraden nicht in Frage, oder sie wagten es einfach nicht, ihre Beschwerden dem Kapitän zu Ohren zu bringen. Beides war Kennit nur recht.
Die Reihe der Männer, die einen Vorschuss in Geld auf ihren Anteil an der Beute wollte, war enttäuschend kurz. Kennit gab jedem von ihnen fünf Seiders. Das müsste seiner Schätzung nach genügen, um jeden von ihnen einen Abend lang mit Frauen, Rum und Essen zu versorgen und noch dazu mit einem anständigen Bett in einer Herberge. Falls sie es nicht vorzogen, an Bord zu schlafen. Sobald sie das Geld hatten, verließen sie das Schiff. Kennit trat an Deck und sah gerade noch, wie der letzte Mann auf den bevölkerten Pier sprang. Es erinnerte ihn daran, wie es war, blutiges Fleisch in Haigewässer zu werfen. Die Leute auf dem Dock umschwärmten den letzten Seemann, und die freien Mädchen boten ihre Waren an, noch während die Hurentreiber über ihre Köpfe schrien, dass ein wohlhabender junger Bursche wie er sich etwas Besseres leisten könnte, die ganze Nacht eine Frau im Bett haben könnte, jawohl, und eine Flasche Rum auf dem Tisch daneben. Mit etwas weniger Entschlossenheit hausierten Neulinge mit frischem Brot, Süßigkeiten und reifem Obst. Der junge Pirat grinste und genoss ihre Gier. Er schien vergessen zu haben, dass sie ihn ohne mit der Wimper zu zucken in der Gosse zurücklassen würden, sobald sie ihm die letzte Münze aus der Tasche gezogen hatten.
Kennit kehrte dem Geschrei und dem Gedränge den Rücken.
Sorcor war bereits mit dem Teilen der Beute fertig. Er stand auf dem hohen Deck an der Ruderpinne und blickte über die Stadt.
Kennit runzelte leicht die Stirn. Der Maat musste vorher gewusst haben, welche Männer ihren Anteil in Naturalien hatten haben wollen, und bereits kalkuliert haben, was er ihnen geben würde. Dann glättete sich Kennits Miene wieder. Es war
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