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Zauberschiffe 02 - Viviaces Erwachen

Titel: Zauberschiffe 02 - Viviaces Erwachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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Mond und die Sterne. Das einzige Licht in dieser Welt schien vom Schiff selbst zu kommen. Unten auf Deck arbeiteten die Männer fieberhaft an irgendetwas. Althea bewegte sich pausenlos und schnell, kletterte wie eine kleine Spinne in den Wanten herum und versuchte, sich dadurch ein bisschen aufzuwärmen.
    Gleichzeitig hielt sie weiterhin Ausschau. Ihr blieb nur zu hoffen, dass sie wenigstens eine leichte Kräuselung auf der schwach glänzenden Oberfläche des Ozeans erkennen konnte.
    Schließlich läutete die Schiffsglocke, und sie wurde abgelöst.
    Sie kletterte schnell und trotz der Kälte und ihrer Müdigkeit geschickt die mittlerweile vertrauten Wanten hinunter.
    Leichtfüßig wie eine Katze sprang sie an Deck und massierte sich einen Moment ihre kalten, steifen Hände.
    An Deck bekam sie Rum, der mit Wasser verdünnt war, die normale Matrosenration. Sie umfasste den Becher mit ihren kalten Fingern und versuchte sie daran aufzuwärmen. Ihre Wache war vorbei. Zu jeder anderen Zeit hätte sie sich in ihre Hängematte verkrochen, doch heute Abend nicht. Überall auf dem Schiff wurde die Ladung fester verstaut, damit sie nicht rutschte, wenn die Seeschlange erneut angriff. Und auf dem Deck konstruierten die Jäger etwas, das aus einer Menge gesalzenem Fleisch und etwa fünfzehn Klafter Seil bestand. Sie lachten und fluchten, während sie es zusammenbauten, und schworen, dass es der Seeschlange leid tun würde, jemals auf dieses Schiff gestoßen zu sein. Der Mann, den sie gefressen hatte, war einer der Jäger gewesen. Althea hatte ihn gekannt, hatte sogar auf den Öden-Inseln neben ihm gearbeitet, aber trotzdem fiel es ihr schwer, die Endgültigkeit seines Todes zu begreifen. Es war einfach zu schnell passiert.
    Für sie klangen die Flüche und Drohungen der Jäger schwach und machtlos, wie das Zetern eines kleinen Kindes, das über die Unerbittlichkeit des Schicksals lamentiert. Im Angesicht dieser Dunkelheit und der Kälte wirkte solcher Ärger kläglich. Sie glaubte nicht, dass sie gewinnen konnten. Was wohl schlimmer ist? dachte sie. Ertrinken oder gefressen werden? Dann jedoch schob sie diese Gedanken beiseite und stürzte sich in die Arbeit, die vor ihr lag. Auf Deck polterten alle möglichen Gegenstände herum, die sich beim Angriff der Seeschlange gelöst hatten. Alles musste wieder sorgfältig verstaut werden. Unter Deck arbeiteten Matrosen an den Pumpen. Das Schiff war zwar nicht leck, aber sie hatten trotzdem Wasser aufgenommen. Es gab genug zu tun.
    Die Nacht verstrich so zäh, wie Teer floss. Nach dieser beunruhigenden Nachtwache befanden sich jetzt alle in einem Zustand aufgewühlter Besorgnis. Nachdem sie alles so gut festgezurrt hatten, wie es ging, den Köder bereit und die Falle gestellt hatten, warteten sie. Althea bezweifelte, dass außer den Jägern jemand hoffte, dass die Seeschlange zurückkehrte, um ihre Rache zu spüren zu bekommen. Die Jäger waren Männer, deren Leben sich um erfolgreiches Töten drehte. Dass eine andere Kreatur sich anpirschte und erfolgreich einen von ihnen vernichtete, war eine so plötzliche und unerhörte Umkehrung der Rollen, dass sie das einfach nicht hinnehmen konnten. Für die Jäger war es beschlossene Sache, dass die Seeschlange allein schon deswegen getötet werden musste. Die Seeleute dagegen lebten in der unerschütterlichen Gewissheit, dass das Meer sie früher oder später holen würde. Den einzigen Sieg, den sie erringen konnten, war, dem Tod zu sagen: »Komm morgen wieder.«
    Die Matrosen auf dem Schiff wollten nur soviel Ozean wie möglich hinter sich bringen. Diejenigen, die keine Aufgaben zu erledigen hatten, schliefen auf Deck, wo gerade Platz war. Sie hatten sich in Nischen und Ecken gedrückt, wo sie sich festhalten konnten. Diejenigen, die nicht schliefen, schlichen an der Reling entlang, weil sie den Posten in ihrem Ausguck nicht trauten, die von den Masten in die Dunkelheit starrten.
    Althea war eine von ihnen und starrte angestrengt in die Nacht hinaus, als sie fühlte, wie Brashen sich neben sie stellte. Sie wusste, dass er es war, ohne dass sie sich umgedreht hatte.
    Vielleicht weil sie die Art so genau kannte, wie er sich bewegte, oder vielleicht hatte sie auch seinen Duft wahrgenommen, ohne es zu merken. »Wir werden es schaffen«, sagte er beruhigend.
    »Natürlich«, erwiderte sie wenig überzeugt. Trotz der großen Gefahr, der sie alle ausgesetzt waren, spürte sie das Unbehagen, das sie in Brashens Nähe empfand. Sie hätte viel darum

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