Zauberschiffe 03 - Der Blinde Krieger
Lebens an Bord der Schiffe, auf denen Ihr wart, seid Ihr ja immer noch eine Lady und die Tochter eines Händlers.«
Sie konnte ihm unmöglich sagen, was ihr gerade durch den Kopf schoss. Sie wusste, und zwar mit absoluter Gewissheit, dass sie sich niemals von einem Mann küssen lassen wollte, der sie vorher um Erlaubnis gefragt hatte. »Erbitte Erlaubnis, an Bord kommen zu dürfen«, flüsterte es schelmisch in ihrem Hinterkopf, und sie musste sich zusammenreißen, um nicht zu grinsen. Vielleicht, dachte sie plötzlich, hat Brashen mich ja schon ruiniert. Aber nicht im gesellschaftlichen Sinn. Nach seiner sachlichen und direkten Erklärung, dass er sie begehrte, wirkte Grags zurückhaltende Werbung beinahe albern. Sie mochte den Mann, sie mochte ihn wirklich. Aber seine umständlichen Verhandlungen ließen sie völlig unberührt. Die Situation war plötzlich unerträglich. Und als hätte Sa gewusst, dass Althea sich nicht mit Anstand selbst aus dieser Lage retten konnte, ließ er das Schicksal eingreifen.
»Alle Mann an Deck!«, brüllte jemand mit einer Stimme, die sowohl Empörung als auch Angst verriet. Althea zögerte keine Sekunde und stürzte zur Tür. Grag ließ sich nicht einmal Zeit, seinen Verband wieder anzulegen. ›Alle Mann an Deck‹ hieß alle Mann.
Die Mannschaft der Ophelia stand an der Reling und blickte hinunter. Als Althea sich dazwischendrängte, mochte sie kaum glauben, was sich ihren Augen darbot. Eine chalcedanische Kriegsgaleone unter der Flagge des Satrapen verweigerte der Ophelia die Weiterfahrt. Der Größenunterschied zwischen den beiden Schiffen wäre gewaltig gewesen, wenn die Galeone nicht förmlich mit Soldaten und Waffen gespickt gewesen wäre. Das kleinere, leichtere Schiff, das sich ihnen entgegenstellte, war weit einfacher zu manövrieren als die Kogge. Und ein solches Schiff konnte auch häufig schneller segeln. In der leichten Abendbrise konnte die Ophelia ein solches Schiff weder umgehen noch abhängen. Die Galeone hatte sich luvwärts manövriert und spielte so den Vorteil des lauen Windes aus, der die beiden Schiffe zusammendrängte. Sie hatten keine Wahl. Sie mussten mit der Galeone verhandeln. Die Galionsfigur des Zauberschiffs starrte auf den Bug des Kriegsschiffes, der mit einem Pferdekopf verziert war. Ophelia war ruhig und immer noch bestürzt und hatte die Arme halsstarrig vor der Brust verschränkt. Althea ließ den Blick über den Horizont gleiten. Die Chalcedaner schienen allein zu operieren. »Was fällt Euch ein, uns den Weg zu versperren?«, schrie Kapitän Tenira hinunter.
»Werft eine Strickleiter herab. Im Namen des Satrapen, wir kommen an Bord!«, erklärte ein bärtiger Mann, der im Bug der Galeone stand. Sein blondes Haar hing in einem langen Zopf seinen Rücken herunter, und Schlachttrophäen – Fingerknochen, mit Haarsträhnen aneinandergebunden – schmückten die Vorderseite seines Lederwamses. Als er drohend grinste, sah man schwarze Zahnlücken.
»O nein, das werdet Ihr nicht. Ihr habt keine Befehlsgewalt über uns. Macht den Weg frei.« Der Händler gab nicht nach und sah auf die Galeone hinunter. Seine Stimme war ruhig und zuversichtlich.
»Im Namen des Satrapen, werft die Leine, und lasst uns an Bord.« Der chalcedanische Kapitän lächelte. Aber es war mehr ein Zähnefletschen als eine liebenswürdige Geste. »Zwingt uns nicht dazu, Euch mit Gewalt zu entern.«
»Versucht es nur!«, erwiderte Kapitän Tenira unnachgiebig.
Der Kapitän der Galeone ließ sich von seinem Maat eine Hand voll Dokumente aushändigen. Er winkte mit dem Bündel zu Tenira hinauf. Ein rotes Band umschlang die Papiere, an dessen Ende ein schweres Siegel aus Metall hing. »Wir haben die Befugnis. Hier drin steht es. Wir bringen unsere Befehle an Bord, um es Euch zu beweisen. Wenn Ihr ein ehrlicher Mann seid, habt Ihr nichts zu befürchten. Der Satrap hat sich mit Chalced zusammengetan, um die Piraterie in der Inneren Passage zu unterbinden. Wir sind von ihm bevollmächtigt, jedes verdächtige Schiff anzuhalten und nach gestohlenen Gütern oder anderen Anzeichen von Piraterie zu durchsuchen.« Während der Kapitän sprach, waren einige seiner Leute mit Seilen und Enterhaken vorgetreten.
»Ich bin ein ehrlicher Bingtown-Händler. Ihr habt weder das Recht, mich aufzuhalten, noch werde ich zustimmen, das Schiff von Euch durchsuchen zu lassen. Gebt den Weg frei!«
Die Enterhaken wurden bereits geschwungen, und als Kapitän Tenira aufhörte zu sprechen, flogen drei auf
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