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Zauberschiffe 04 - Die Stunde des Piraten

Titel: Zauberschiffe 04 - Die Stunde des Piraten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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kleinen Häuschen auf, in denen die Diener leben sollten, legte fest, wie groß die Gärten für jedes Anwesen sein würden, und kalkulierte sogar, wie viel Platz in etwa jedes einzelne Gewächs brauchte. Er hatte den Stall und die Scheune aufgezeichnet, die Pferche für die Schafe, und sie so angelegt, dass die Misthaufen von den Gartenparzellen aus gut zu erreichen waren. Er hatte ein Schlafhaus für die Schiffsmannschaft ein geplant, falls diese an Land schlafen wollte. Er stellte jedes Gebäude an seinen vorgesehenen Platz, so dass die Straßen gerade und eben daran vorbeiführten. Es war ein Plan für eine perfekte kleine Welt auf einer verborgenen Insel. Oft hatte er den kleinen Kennit auf seinen Schoß gesetzt und ihm seinen Traum gezeigt. Er hatte ihm Geschichten erzählt, wie glücklich sie dort alle sein würden. Alles war so gut überlegt gewesen. Und für eine Weile hatte der Traum tatsächlich Früchte getragen.
    Bis Igrot kam.
    Kennit hatte den Gedanken verdrängt, solange er arbeitete. Er beschäftigte sich gerade mit dem Schutzhaus am Fuß des Wachturms, als das Amulett sich plötzlich meldete. »Welchen Zweck soll das haben?«, wollte es wissen.
    Kennit musterte stirnrunzelnd den kleinen Tintenfleck, den er hinterlassen hatte, als er zusammenzuckte. Er tupfte ihn sorgfältig weg. Aber er hinterließ eine Spur. Er würde ihn mit Sand aus dem Pergament scheuern müssen. Als er sich wieder über seine Arbeit beugte, runzelte er die Stirn. »Der Zweck dieses Entwurfs«, sagte er mehr zu sich selbst als zu dem anmaßenden Amulett, »ist der, dass dieses Gebäude sowohl einen sicheren Zufluchtsort bei einem Angriff bietet als auch als vorübergehender Schutz dient, bis sie ihre Häuser wieder aufgebaut haben. Wenn sie hier einen Brunnen anlegen, im Inneren des Gebäudes, und das Äußere befestigen, dann.«
    »Dann werden sie nur verhungern, statt als Sklaven verschleppt zu werden«, bemerkte der Glücksbringer spöttisch.
    »Plünderer haben selten so viel Geduld. Sie sind auf schnelle Beute aus, wollen plündern und Sklaven erbeuten. Eine befestigte Stadt zu belagern lohnt sich für sie kaum.«
    »Aber was ist der Zweck dieser Pläne? Warum interessiert es dich so sehr, eine bessere Stadt für Menschen zu schaffen, die du insgeheim verachtest?«
    Kennit dachte einen Moment über die Frage nach und blickte auf seine Pläne herunter. Die Menschen von Divvytown waren tatsächlich einer solch ordentlichen Stadt nicht würdig. Dann wurde ihm klar, dass das gar nicht wichtig war. »Es wird einfach besser«, sagte er eigensinnig. »Es wird ordentlicher.«
    »Kontrolle«, verbesserte ihn das Amulett. »Du willst ihnen deinen Stempel aufdrücken, willst ihre Art zu leben beeinflussen. Ich bin davon überzeugt, dass es dir ausschließlich darum geht, Kennit. Kontrolle. Was bildest du dir denn ein, Pirat? Dass du die Vergangenheit kontrollieren kannst, wenn du erst einmal genug Kontrolle über die Gegenwart erlangt hast? Dass du alles ungeschehen machen kannst? Dass du die genauen Pläne deines Vaters verwirklichen, sein kleines Paradies wieder beleben kannst? Das Blut wird immer da sein, Kennit. Wie ein Tintenklecks auf einem perfekten Plan dringt das Blut in jede Pore und hinterlässt Flecken. Ganz gleich, was du tust: Jedes Mal wenn du in dieses Haus gehst, wirst du das Blut riechen und die Schreie hören.«
    Wütend warf Kennit den Federhalter auf den Tisch. Angeekelt sah er, wie die Tinte eine schlangengleiche Blutspur auf dem Pergament hinterließ. Nein, kein Blut, verbesserte er sich wütend. Es ist Tinte, nur schwarze Tinte. Tinte konnte weggetupft und ausgebleicht werden. Wie Blut. Irgendwann.
    Dann war er ins Bett gegangen.
    Er hatte im Dunkeln dagelegen und auf Etta gewartet. Aber als sie dann hereinkam, schlich sie wie eine Katze nach einer nächtlichen Jagd durch das Zimmer. Er wusste, wo sie gewesen war, und hörte zu, wie sie sich im Dunkeln auszog. Sie trat leise an die Seite des Bettes, auf der sie schlief, und versuchte, lautlos unter die Decken zu schlüpfen.
    »Also, wie war der Junge?«, fragte er sie laut.
    Sie schnappte vor Überraschung nach Luft. Er sah ihre Umrisse, als sie sich die Hand aufs Herz legte. »Ihr habt mich erschreckt, Kennit. Ich dachte, Ihr würdet schlafen.«
    »Offensichtlich«, bemerkte er sarkastisch. Ich bin nicht wütend, weil sie mit dem Jungen geschlafen hat, redete er sich ein. Schließlich hatte er das ja die ganze Zeit beabsichtigt. Aber er war wütend, weil sie

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