Zauberschiffe 06 - Herrscher der drei Reiche
nicht wert ist, einen Drachen zu bekämpfen.«
Malta sprach nach Reyn. »Ich sehe an Euren Gesichtern, dass Ihr zweifelt. Aber ich habe ihren ersten Angriff auf Bingtown erlebt. Reyn war bei ihrem letzten in der Stadt. Eure chalcedeanischen Mitverschwörer sahen keinen Grund, auf Euch zu warten. Sie wollten die besten Beutestücke wegschleppen, bevor Ihr ankamt. Und ich glaube auch nicht, dass sie jemals vorhatten, Bingtown an Eure Neuen Händler zu übergeben. Da sie um die einfache Beute betrogen worden sind, die Ihr ihnen in Bingtown versprochen hattet, als sie von Tintaglia vertrieben wurden, wenden sie sich jetzt nach Süden. Und das sind Eure Bundesgenossen? Euer Satrap war klüger. Ihr habt diesen Vertrag unter Druck unterzeichnet. Ich kann in Euren Herzen lesen. Bei der ersten Gelegenheit werdet Ihr Euer Einverständnis zurückziehen. Das wäre jedoch närrisch. Ihr solltet lieber die Allianz Eures Satrapen mit den Pirateninseln unterstützen, denn wenn die chalcedeanischen Schiffe und ihre räuberischen Galeonen in Jamaillia-Stadt ankommen, werdet Ihr alle Freunde brauchen, die Ihr bekommen könnt.« Sie musterte einen nach dem anderen. »Merkt Euch meine Worte: Sie sind gnadenlos.«
Noch vor einem knappen Jahr hatte Malta ihren Charme an Brashen ausprobiert. An ihren Worten hörte er jetzt, dass ihre mädchenhaften Listen zu wirklichem diplomatischem Geschick gereift waren. Einige der Adligen wechselten viel sagende Blicke, offensichtlich beeindruckt von ihren Worten. Selbst der Satrap schien erfreut zu sein und nickte eifrig, als hätte sie seine eigenen Gedanken laut ausgesprochen.
Malta presste sich die Hände auf die Ohren, noch bevor Reyn das Geräusch wahrnahm. Als es eine hörbare Frequenz erreichte, zuckte er ebenfalls zusammen. Die anderen sahen sich aufgeregt um, und einer der jamaillianischen Lords jammerte: »Die Seeschlangen kommen zurück.«
»Nein. Es ist Tintaglia«, erwiderte Reyn besorgt. Denn die Drachenkönigin schrie um Hilfe. Er stürmte zur Tür, und alle anderen am Tisch standen auf und folgten ihm. Malta hielt seine Hand, als sie an Deck liefen. Zusammen starrten sie in den Regen hinauf. Tintaglia flog über sie hinweg, ein blasses Schimmern von Silber und Blau gegen den nächtlichen, bedeckten Himmel. Sie zog einen engen Kreis und schrie erneut. Zu Reyns Verblüffung wurde ihr Schrei erwidert. Das Deck des Schiffes vibrierte von der Kraft von Viviaces Antwort. Und ein tieferer Ruf von Paragon folgte dem ihren.
Malta war wie erstarrt und schaute bewundernd nach oben.
Kaum war der Schrei verklungen, sah sie Reyn fragend an.
»Bittet sie um Hilfe?«
Reyn schnaubte verächtlich. »Nein. Sie fordert unsere Hilfe. Tintaglia bittet nur selten um etwas.« Doch trotz seiner gelassenen Worte sank ihm der Mut. Sie waren zu vertraut miteinander, als dass sie ihre Furcht hätte verbergen können. Er fühlte ihre Müdigkeit und ihre tiefe Trauer in ihrer Seele.
»Ich verstehe nicht alles«, fügte Malta hinzu. »Und es erschreckt mich, dass ich überhaupt etwas verstehe.«
Reyn antwortete leise: »Je länger du mit ihr zusammen bist, desto deutlicher wird es in deinem Verstand. Ich glaube, die Ohren haben nur wenig damit zu tun.« Der Ruf der Drachenkönigin erschütterte erneut die Nacht. Um sie herum verrenkten sich die Seeleute entweder die Hälse, um die Kreatur sehen zu können, oder gingen in Deckung. Reyn starrte hinauf, ohne auf den Regen zu achten, der ihm ins Gesicht prasselte. Er sprach laut, damit man ihn bei dem Geschrei der Schiffe verstehen konnte.
»Die Drachenkönigin ist erschöpft. Sie fliegt zu schnell, sodass die Seeschlangen ihr nicht folgen können. Also muss sie ständig kreisen, damit sie ihr Tempo dem ihren anpassen können. Sie hat weder gejagt noch geschlafen, weil sie Angst hatte, ihre Schlangen allein zu lassen. Als sie auf ein chalcedeanisches Schiff stießen, hat es sie angegriffen. Sie wurde zwar nicht ernstlich verletzt, aber die Schlangen haben sich trotzdem auf das Schiff gestürzt.« Er holte tief Luft. »Die Chalcedeaner wissen, wie man Schlangen tötet. Bogenschützen haben sechs Schlangen des Knäuels getötet, bevor sie das Schiff versenken konnten.« Die Wut und die Trauer des Lebensschiffes durchdrangen alle. »Das Knäuel ruht jetzt, aber Tintaglia ist zurückgekehrt, um uns um Hilfe zu bitten.« Er drehte sich flehentlich zu den Kapitänen um. »Die Dunkelheit hat sie in der Luft überrascht. Sie braucht einen sandigen Strand, um zu
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