Zauberschiffe 06 - Herrscher der drei Reiche
er sich manchmal noch anstellte. Er beugte sich zu ihr hinüber. »Etta, möchtest du gern tanzen?«
Er hielt ihr seine offene Hand hin. Sie sah sie einen Moment an und wandte dann rasch den Blick ab. »Ich weiß nicht, wie«, antwortete sie steif.
»Ich könnte es dir beibringen.«
»Ich wäre nicht gut darin. Ich würde nur mich selbst und meinen Partner blamieren.«
Er lehnte sich auf seinem Sitz zurück und sprach leise, um sie zu zwingen, genau zuzuhören. »Wenn du Angst hast zu versagen, fürchtest du etwas, was noch nicht eingetreten ist. Tanzen ist erheblich leichter als Lesen, vor allem für eine Frau, die in der Lage ist, geschwind durch die Wanten zu klettern.«
Er wartete.
»Ich… Nicht jetzt. Nicht an einem so öffentlichen Ort.« Sie druckste umständlich herum, bis sie es endlich zugab. Sie hatte immer noch Schwierigkeiten damit, einen Wunsch zu äußern.
»Aber eines Tages würde ich gern tanzen lernen.«
Er lächelte sie an. »Wenn du dazu bereit bist, wäre es mir eine Ehre, dein Tanzpartner zu sein.«
Sie redete sehr leise, als sie hinzufügte: »Und ich werde ein Kleid tragen, das dieses hier bei weitem übertrifft.«
Die Sterne glitzerten kalt am schwarzen Himmel über ihnen.
Im Kontrast dazu wirkten die gelben Lichter von Jamaillia-Stadt warm und nahe. Ihre Spiegelbilder schlängelten sich wie Schlangenrücken auf dem gekräuselten Wasser des Hafenbeckens. Die Geräusche von Fröhlichkeit und Musik wehten leise durch die kalte Frühlingsnacht. Gegenüber von Viviace dümpelte Ophelia in der Dunkelheit. Sie war ein altmodisches Lebensschiff, eine schlampige, alte Kogge. Einen Moment später schüttelte sie eine große Würfeldose. »Wir wär's mit einem Spielchen?«, fragte sie einladend.
Viviace lächelte die matronenhafte Galionsfigur unwillkürlich an. Sie hatte nicht erwartet, die Anwesenheit eines anderen Lebensschiffes so unterhaltsam zu finden, schon gar nicht von einem, das vorgab, alle Drachenerinnerungen verloren zu haben. Ophelia war jedoch nicht nur eine angenehme Gesellschafterin, sondern auch ein wahres Füllhorn für Klatsch aus Bingtown.
Noch wichtiger für Viviace waren ihre detaillierten Berichte über alles, was sie in Trehaug gesehen und gehört hatte. Die Kokongründe lagen flussaufwärts, weit außerhalb der Reichweite eines Schiffes mit ihrem Tiefgang. Aber Ophelia verstand es sehr geschickt, sich umzuhören, und sie war eine sehr aufmerksame Zuhörerin. Sie hatte sich bemüht, nicht nur alle Fakten, sondern auch alle Gerüchte in Erfahrung zu bringen, welche die Entwicklung der Seeschlangen betrafen.
Sie hatte Viviace sowohl gute als auch schlechte Nachrichten mitgeteilt, aber es beruhigte Viviace schon, überhaupt vom Schicksal ihrer geliebten Schlangen zu erfahren. Sie diente ihrer Art am besten, wenn sie jetzt in Jamaillia-Stadt blieb, aber es war nur schwer zu ertragen. Ophelia hatte Verständnis für ihren Wissensdurst. Seit sie in Jamaillia-Stadt angekommen war, waren ihre ausführlichen Berichte ein wahrer Trost für Viviace geworden. Trotzdem schüttelte sie jetzt den Kopf, als Ophelia ihre Würfeldose schwenkte. »Althea scheint geglaubt zu haben, dass du geschummelt hast, als sie mit dir gespielt hat«, bemerkte sie beiläufig.
»Ach, typisch Althea. Nettes Mädchen, aber ein bisschen misstrauisch. Und sie hat auch nicht gerade das beste Urteilsvermögen der Welt. Immerhin hat sie sich für diesen abtrünnigen Trell entschieden, wo sie doch meinen Grag hätte haben können.«
Viviace lachte leise. »Ich glaube nicht, dass dein Grag überhaupt eine Chance gehabt hat. Ich vermute eher, dass dieser ›abtrünnige‹ Trell schon vor einigen Jahren von Ephron Vestrit für sie ausgesucht worden ist.« Als sie Ophelias beleidigte Miene sah, fügte sie freundlich hinzu: »Aber Grag scheint sie auch nicht lange vermisst zu haben.«
Ophelia nickte zufrieden. »Menschen müssen diese Dinge eben pragmatisch sehen. Sie leben schließlich nicht so lange. Und seine Ekke, na, die ist ein feines Mädchen. Sie weiß, wie man das Leben anpackt und was daraus machen kann. Sie erinnert mich ein bisschen an meinen ersten Kapitän. ›Glaub nur nicht, dass ich an Land bleibe und deine Kinder gebäre‹ hat sie ihm gleich hier auf meinem Vordeck erklärt. ›Meine Kinder werden hier auf dem Schiff geboren.‹ Und weißt du, was Grag geantwortet hat? ›Natürlich, Liebes.‹ Lammfromm war er. Ich glaube, er weiß, dass er allmählich loslegen muss, wenn er noch eine
Weitere Kostenlose Bücher