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Zauberschiffe 06 - Herrscher der drei Reiche

Titel: Zauberschiffe 06 - Herrscher der drei Reiche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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tun?«, fragte er.
    »Ich erwarte eine Hinterlist«, erklärte der Pirat seinem Maat.
    »Faldins Nachricht hat mich davor gewarnt. Ich werde mich nicht von ihrem Verhalten einlullen lassen. Wenn nötig, werde ich ein Exempel an diesem Schiff und seiner Mannschaft statuieren. Wenn das eine Hinterlist ist, wird dieses Schiff mit Mann und Maus an Bord versenkt.« Er sah Jola an. »Bereite dich darauf vor, heute eine Menge Lügen zu hören, Jola. Dieser Kapitän ist ein sehr gerissener Mann. Er versucht, ein Lebensschiff einzusetzen, um ein anderes Lebensschiff zu erbeuten. Natürlich werden wir nicht zulassen, dass es dazu kommt.«
    Seine Kehle zog sich plötzlich schmerzhaft zusammen. Die Vorstellung, dass Jola die Tränen sehen könnte, die ihm in die Augen stiegen, entsetzte ihn. Gefühle ändern sich, rief er sich nachdrücklich ins Gedächtnis. Das ist das erstickte Weinen eines Jungen, den es nicht mehr gibt. Ich habe schon lange aufgehört, das zu empfinden. Ich fühle das nicht.
    Er hustete, um diesen Moment der Schwäche zu überspielen.
    »Die Männer sollen sich bereitmachen«, befahl er leise.
    »Wende und geh vor Anker. Hisse ebenfalls eine weiße Fahne, damit sie näher kommen. Wir werden so tun, als würden wir auf ihre List hereinfallen. Ich werde dafür sorgen, dass das Schiff die Schlangen vorschickt.« Er lächelte gequält. »Ich bezweifle, dass Trell von den Schlangen weiß. Soll er seinen Waffenstillstand doch mit ihnen aushandeln.«
    »Sir.« Jola bestätigte die Befehle und verschwand.
    Kennit ging weiter. Das Klopfen seines Holzbeins kam ihm unnatürlich laut vor. Männer liefen an ihm vorbei, und alle hatten es eilig, auf ihre Posten zu kommen. Keiner nahm sich auch nur die Zeit, ihn anzusehen. Keiner von ihnen konnte mehr den wahren Kennit erkennen. Sie sahen nur Kennit, den König der Pirateninseln. War das nicht genau das, was er immer gewollt hatte? Als der Mann gesehen zu werden, den er aus sich gemacht hatte? Trotzdem konnte er sich genau vorstellen, wie Paragon entsetzt aufschreien würde, wenn er bemerkte, dass ihm ein Bein fehlte, oder wie er sich über den vornehmen Schnitt seiner Brokatjacke freuen würde. Kennit wurde plötzlich klar, dass der Triumph längst nicht so intensiv war, wenn man ihn mit Leuten teilte, die immer schon an den Erfolg geglaubt hatten. Auf allen Weltmeeren gab es nur einen, der wirklich all das kannte, was Kennit hatte durchmachen müssen, um diese Höhen zu erreichen, es gab nur einen, der wusste, wie gewaltig dieser Triumph war und wie tief die Talsohlen des Unglücks gewesen waren. Es gab nur einen einzigen, der seine Vergangenheit so vollkommen ans Licht zerren konnte. Paragon musste sterben. Es gab keine andere Möglichkeit.
    Als er die kurze Leiter zum Vordeck emporkletterte, sah er bestürzt, dass Etta und Wintrow schon da waren. Wintrow lehnte an der Reling, offenbar in ein angeregtes Gespräch mit der Galionsfigur vertieft. Etta starrte über das Wasser zum Paragon hinüber. Ihre Miene war merkwürdig, und der Wind zupfte an ihrem dunklen Haar. Kennit erklomm das Vordeck und legte zum Schutz gegen die Sonne die Hand an die Stirn, während er ihrem Blick folgte. Der Paragon kam stetig näher.
    Kennit konnte bereits die vertraute Galionsfigur erkennen. Sein Herz krampfte sich beim Anblick des grausam verstümmelten Gesichts zusammen. Scham brannte heiß in ihm, gefolgt von einer glühenden Wut. Er trug dafür nicht die Verantwortung.
    Niemand, nicht einmal Paragon , konnte ihm das in die Schuhe schieben. Es war Igrot gewesen. All das war Igrots Schuld, das blanke Entsetzen, das der Anblick des Paragon auslöste, drohte ihn zu versengen. Er konnte nicht verhindern, dass ihm das Blut ins Gesicht strömte. Die Furcht machte ihn benommen, und er berührte mit zitternden Fingern sein Gesicht.
    »Du hast zugelassen, dass er allen Schmerz von dir nimmt«, flüsterte das Amulett an seinem Ohr. »Er sagte, er würde es tun, und du hast es zugelassen.« Der Glücksbringer lächelte.
    »Es ist alles noch da und wartet auf dich. Mit ihm zusammen.«
    »Halt den Mund!«, blaffte Kennit. Zitternd versuchte er, den Knoten des Bandes zu lösen, mit dem das verdammte Ding an seinem Handgelenk befestigt war. Er würde es über Bord werfen. Dann würde es versinken und mit allem, was es wusste, für immer verschwunden sein. Aber seine Finger waren merkwürdig ungeschickt, fühlten sich beinahe taub an. Er konnte den festen Lederknoten nicht aufknüpfen. Er zerrte an dem

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