Zauberschiffe 06 - Herrscher der drei Reiche
intelligent und vernünftig ist, wie du glaubst. Ansonsten legen wir unsere Hälse dem Metzger unters Messer.«
Einen Moment konnte sie ihn nur wortlos anstarren.
»Entschuldige«, sagte er heiser. »Das hätte ich nicht sagen müssen. Wir haben diesen Plan zusammengefasst. Und wir haben beide die Mannschaft davon überzeugt, dass er funktionieren wird. Ich möchte nicht, dass du denkst, ich lade das jetzt alles auf deinen Schultern ab.«
Sie schüttelte den Kopf. »Du hast nur das laut ausgesprochen, was ich schon lange denke. Auf die eine oder andere Art hängt es wirklich alles an mir, Brashen. Ohne mich wäre weder das Schiff noch die Mannschaft hier draußen, und wir würden schon gar nicht diesen verrückten Plan umsetzen.«
Er nahm sie in die Arme und drückte sie fest. Sie roch seine nackte Haut und spürte sein offenes Haar an ihrer Wange.
Langsam rieb sie ihr Gesicht an seiner warmen Brust. Warum setze ich das alles aufs Spiel?, fragte sie sich. Warum riskiere ich das Leben dieses Mannes und mein eigenes für ein so ungewisses Abenteuer? Dann ließ Brashen sie los und nahm sein Hemd vom Stuhl. Während er es anzog, wurde er wieder zum Kapitän.
»Geh hinaus und hisse die weiße Fahne. Die Mannschaft soll sich rüsten, aber keiner soll eine Waffe in die Hand nehmen. Erinnere sie daran, dass wir zuerst mit Kennit reden wollen.
Wir wollen ihn nicht provozieren, uns zu entern. Aber beim ersten Anzeichen von Aggression seinerseits werden wir mit gleicher Münze antworten.«
Sie verkniff es sich, ihn daran zu erinnern, dass die Mannschaft keine Erinnerungen brauchte. Sie hatten sie bereits gründlich gedrillt. Ohne Lavoys Intrigen hatte Althea viel mehr Vertrauen in die Leute. Die Männer würden gehorchen.
Vielleicht stand sie ja in einigen Stunden wieder an Deck der Viviace. Vielleicht. Sie beeilte sich, seine Befehle auszuführen.
»Da, Sir. Seht Ihr sie jetzt?« Gankis deutete und kniff die Augen zusammen, als würde das die Sicht seines Kapitäns verbessern. »Das Schiff ankert direkt vor der Küste. Vermutlich glauben sie, dass das Ufer und die Bäume, dahinter es erschweren, sie zu sehen. Aber ich habe das Schiff sofort erspäht…«
»Ich sehe es.« Kennit schnitt dem alten Matrosen barsch das Wort ab. »Geh wieder an deine Arbeit!« Er starrte die Masten und die Takelage an, und eine merkwürdige Gewissheit erfüllte ihn. Der alte Matrose verließ Kennit. Der Ton seines Kapitäns hatte ihn ernüchtert. Der kalte Wind umwehte Kennit, und sein Schiff durchschnitt sauber die Wellen, aber er war plötzlich weit davon entfernt. Das Schiff war der Paragon. Die andere Hälfte seiner Seele dümpelte in diesem Meeresarm vor Anker.
»Kann ich ihn denn von so weit weg erkennen?«, fragte er sich leise. »Wie denn? Ist es ein Gefühl in der Luft? Ein Duft im Wind?«
»Blut ruft Blut«, flüsterte das Amulett an seinem Handgelenk.
»Du weißt, dass er es ist. Er ist wieder zu dir zurückgekommen. Nach all den Jahren ist er zurückgekommen.«
Kennit versuchte Luft zu holen, aber seine Lungen fühlten sich schwer und nass an. Furcht und Erwartung rangen in ihm.
Wenn er wieder mit dem Schiff redete, über seine Decks ging, würde sich ein Kreis schließen. Alle vergangenen Niederlagen und Schmerzen würden in diesem Triumph ertränkt werden.
Das Schiff würde sich freuen, wie er gewachsen war und Erfolg auf Erfolg gehäuft hatte, und… Nein. So würde es nicht werden. Es würde zu einer Konfrontation kommen, zu Beschuldigungen, Demütigungen und Schande. Damit würde er die Tür zu vergangenem Leid wieder aufstoßen und es möglich machen, dass es herausströmte und die Gegenwart vergiftete. Es wäre, als sähe er einer betrogenen Geliebten ins Gesicht. Dann müsste er zugeben, was er getan hatte, um sein eigenes Überleben zu sichern.
Schlimmer noch, es würde öffentlich bekannt werden. Jeder Mann auf dem Schiff würde erfahren, was er gewesen war und was man ihm angetan hatte. Die Mannschaft des Paragon würde es erfahren, Etta und Wintrow, und auch Blitz. Keiner von ihnen würde ihn jemals wieder respektieren. Also würde er ein letztes Mal den kriecherischen, feigen Jungen aus der Erinnerung der Welt auslöschen müssen.
Jola kam auf ihn zugelaufen. »Sir, das Schiff, das der Ausguck gemeldet hat… Sie haben eine große weiße Fahne gehisst. Eine Parlamentärfahne. Sie lichten den Anker und segeln auf uns zu.« Seine aufgeregten Worte erstarben vor Kennits verächtlichem Blick. »Was sollen wir
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