Zauberschiffe 06 - Herrscher der drei Reiche
es einen Paragon Ludluck geben, der geliebt und umsorgt wurde. Vielleicht gab es ja bereits einen! Paragon wünschte sich jetzt sehnlichst, dass er Kennit gefragt hätte, ob er einen Sohn hatte. Es wäre ihm ein großer Trost gewesen zu wissen, dass dieses Kind, das sie sich vorgestellt hatten, schon existierte.
In seinem Inneren hatte die Mannschaft etwas losgerissen und setzte es jetzt als Rammbock gegen seinen Lukendeckel ein.
Sie schienen aber nicht viel Energie dabei aufzubringen.
Vielleicht war der Frachtraum ja bereits voller Rauch. Das wäre gut. Dann konnten sie alle einschlafen und sterben.
Paragon seufzte und neigte sich ein wenig, wie er es immer tat, wenn er nicht aufpasste. Es war nicht seine Schuld, sondern ein Konstruktionsfehler. So etwas musste passieren, wenn ein Schiff aus zwei verschiedenen Stämmen Hexenholz gebaut wurde. Ein Drache würde immer versuchen, den anderen zu beherrschen. Sie kämpften und kämpften und kämpften die ganze Zeit, bis er es Leid geworden war, sie begreifen zu wollen. Er hatte sie tief in sein Innerstes versenkt und beschlossen, einfach nur Paragon zu sein. Paragon Ludluck. Er sagte den Namen vernehmlich, wenn auch leise. Dann schloss er den Mund und hörte auf zu atmen. Das brauchte er auch eigentlich gar nicht. Es war nur eine Eigenschaft der Gestalt, die sie ihm gegeben hatten. Und diese Gestalt konnte er ändern, wenn er genau darüber nachdachte. Jede Planke aus Hexenholz, die sich genau in die nächste einpasste, konnte er ein bisschen verschieben, nur ein winziges bisschen.
Eine Weile spürte er gar nichts. Dann merkte er, wie Seewasser in sein Inneres lief, eiskaltes Wasser, das langsam durch seine Planken sickerte. Ganz allmählich wurde er schwerer. Er neigte sich noch ein wenig mehr. Die Mannschaft in seinen Laderäumen merkte das ebenfalls. Die Männer schrieen, rannten herum und suchten die Stelle, wo das Wasser eindrang. Mittlerweile sickerte es durch jeden einzelnen Spalt.
Die einzige Frage war jetzt noch, ob ihn erst das Feuer oder das Wasser vernichten würde. Vielleicht ja beides gleichzeitig, dachte er friedfertig. Aber das war nicht seine Schuld. Er verschränkte die Arme vor der Brust, drehte sich in den aufziehenden Sturm und bereitete sich auf den Tod vor.
»Ich dachte, Ihr würdet diese Entscheidung selbst treffen wollen, Sir.« Jola stand stocksteif da. Er wusste, dass er sich auf gefährliches Terrain begab, aber er war klug genug zu erkennen, dass es noch gefährlicher wäre, die Entscheidung nicht Kennit zu überlassen. Trotzdem hätte Kennit sich gewünscht, dass der Maat sie einfach hätte ertrinken lassen. Es wäre so viel… ordentlicher gewesen.
Er beugte sich über die Reling und blickte auf die Frau im Wasser herunter. Ihr blondes Haar umgab ihren Kopf wie ein Kranz aus Seetang. Das kalte Wasser kostete sie Kraft, ebenso wie die immer höher schlagenden Wellen. Schon bald würde alles vorbei sein. Noch während sie zusahen, spülte eine Welle über sie hinweg und tauchte sie einen Moment unter.
Überraschenderweise kam ihr Kopf wieder hoch. Hartnäckig trat sie Wasser. Sie hätte viel länger aushalten können, wenn sie ihren Gefährten losgelassen hätte. Der Junge in ihren Armen schien sowieso tot zu sein. Eigenartig, wie hartnäckig Sterbende sein konnten.
Die blasse Frau im Wasser neigte den Kopf und hustete.
»Bitte.« Er hörte das Wort nicht, denn sie war zu schwach zum Rufen, aber er konnte es von ihren Lippen ablesen. Bitte.
Kennit kratzte sich nachdenklich am Kopf. »Sie kommt vom Paragon «, erklärte er Jola überflüssigerweise.
»Zweifellos.« Der Maat biss die Zähne zusammen. Wer hätte gedacht, dass ihn der Anblick einer ertrinkenden Frau so mitnehmen würde? Kennit hörte nicht auf, über diese merkwürdige Schwäche zu staunen, die den Charakter eines Mannes so unterminieren konnte.
»Glaubst du, dass wir sie aufnehmen sollten?« Kennits Ton machte deutlich, dass er dem Maat nicht die Entscheidung überlassen wollte, sondern nur seine Meinung einholte. »Wir haben wenig Zeit, weißt du. Die Seeschlangen sind bereits weg.« In Wirklichkeit hatte Blitz ihnen befohlen zu verschwinden. Kennit war sehr erleichtert gewesen, dass sie noch so viel Macht über sie hatte. Ihr Scheitern, den Paragon zu versenken, hatte ihm übel zugesetzt. Nur die weiße Seeschlange hatte sich Blitzens Befehlen widersetzt. Sie umrundete ständig das Schiff und musterte es anklagend mit ihren roten Augen. Kennit gefiel das gar
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