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Zauberschiffe 06 - Herrscher der drei Reiche

Titel: Zauberschiffe 06 - Herrscher der drei Reiche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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Beute einfach aufgegeben? Hatte er Gefangene gemacht? Die Ungewissheit darüber drohte Wintrow beinahe zu verzehren.

    Der Sturm, der sich schon den ganzen Tag angekündigt hatte, war nun endlich ausgebrochen. Der heftige Regen legte sich wie ein wallender grauer Schleier zwischen die Marietta und den brennenden Paragon . Wintrow stand frierend und klatschnass an Deck und starrte zu dem verlorenen Schiff hinüber, das seine Familie geschickt hatte. Es würde mitsamt ihren Hoffnungen auf Lösegeld und Rettung auf den Meeresgrund sinken. Der Regen war eine Erleichterung. Bisher war Wintrow nicht fähig gewesen zu weinen.
    »Kommt herein«, schlug Etta vor. Ihre Hand lag warm auf seinem Arm. Er drehte sich um und sah sie an. Wenn es einen Trost an diesem Punkt seines elenden Lebens gab, dann war es Etta. Sie hatte Sorcors Ölzeug angezogen, und es schlackerte viel zu groß um ihre schlanke Gestalt. Aus dem Schutz der riesigen Kapuze sah sie ihn an. Einige Regentropfen waren ihr ins Gesicht geweht und hingen jetzt wie Juwelen an ihren Wimpern. Sie blinzelte, und die Tropfen rannen ihr wie falsche Tränen über das Gesicht. Wintrow starrte sie an, wie betäubt vor Begehren und benommen von der Unmöglichkeit, ihr dieses Begehren jemals verraten zu können. Sie zog an seinem Arm, und er ließ sich von ihr wegführen.
    Sorcor hatte ihnen seine Kajüte überlassen. Der dampfende Teetopf auf dem Tisch und die beiden Tassen daneben rührten ihn. Sie hatte das vorbereitet und ihn offenbar hereingeholt, damit sie gemeinsam Tee tranken. Etta deutete auf einen Stuhl, und Wintrow setzte sich folgsam hin. Seine Kleidung tropfte, während sie das Ölzeug an einen Haken hängte. Früher einmal hatte Kennit diese Kajüte bewohnt, und einige Möbelstücke aus dieser Zeit waren noch geblieben. Ansonsten hatte sich Sorcors Hang zum Bunten und Protzigen durchgesetzt und überlagerte Kennits dezenteren Geschmack. Die bestickte Decke mit den Quasten verbarg die eleganten, einfachen Linien des Tisches darunter. Etta schüttelte ein paar Regentropfen aus ihrem Haar und setzte sich auf den anderen Stuhl. »Du siehst so jämmerlich aus wie ein streunender Hund«, bemerkte sie, während sie den Tee eingoss. Sie schob ihm die Tasse zu und meinte tadelnd: »Ich verstehe nicht, warum ich dich ermahnen muss, Kennit zu vertrauen. Was auch immer passiert, wir sollten seinem Urteil trauen. Vor langer Zeit hast du mir erzählt, dass er ein Erwählter von Sa wäre. Glaubst du das jetzt nicht mehr?«
    Er nippte an dem Tee und schmeckte den duftenden Zimt.
    Trotz seiner melancholischen Stimmung freute es ihn. Etta schien sehr genau zu wissen, dass kleine körperliche Genüsse manchmal die mächtigste Medizin gegen die tiefen Schmerzen des Geistes waren. »Ich weiß nicht mehr, was ich glauben soll«, gab er müde zu. »Ich habe das Gute gesehen, das er überall getan hat. Er ist eine mächtige Kraft für die Freiheit und verbessert das Leben der Menschen. Er könnte sich einen majestätischen Palast voller Reichtümer bauen, und die Leute würden ihn immer noch vergöttern. Aber er segelt weiter, kämpft gegen die Sklavenhändler und befreit die Eingekerkerten. Wie könnte ich angesichts all dessen die Größe seiner Seele in Frage stellen?«
    »Aber du tust es, hab ich Recht?«
    Wintrow seufzte. »Ja, das tue ich. Manchmal des Nachts, wenn ich versuche zu meditieren, wenn ich darum ringe, meinen Platz in der Welt zu finden, passen die Dinge für mich einfach nicht zusammen.« Er schob sich das nasse Haar aus dem Gesicht und sah Etta offen an. »Irgendetwas fehlt Kennit. Ich fühle es, aber ich kann es nicht benennen.«
    Sie verzog vor Ärger das Gesicht. »Vielleicht fehlt es ja nicht ihm, sondern dir. Vielleicht verlierst du das Vertrauen ja immer dann, wenn dich Sas Pfad irgendwohin führt, wohin du nicht gehen möchtest.«
    Ihre Worte betäubten ihn. Er hatte nicht erwartet, einen solchen Tadel von ihr zu hören, und schon gar keinen, der so wahr klang. Sie redete weiter. »Kennit hat seine Fehler. Aber wir sollten auf das blicken, was er trotz all seiner Fehler und Zweifel erreicht hat.« Sie sah ihn anklagend an. »Oder glaubst du, dass ein Mann erst perfekt sein muss, bevor er Gutes tun kann?«
    »Sas Hand kann jedes Werkzeug lenken«, sagte er leise.
    Einen Augenblick später jedoch brach es aus ihm heraus.
    »Aber warum musste er mir mein Schiff nehmen? Er hat es mir nicht nur einfach genommen, sondern es in eine Kreatur verwandelt, die ich nicht

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