Zauberschiffe 06 - Herrscher der drei Reiche
sprechen. »Ich habe keine Prophezeiungen für dich, Etta. Keine Vorhersagen von Sa, keine inspirierten Prognosen. Wenn diesem Kind Größe beschieden sein sollte, dann verdankt es sie genauso dir wie seinem Vater. Das sehe ich in dir, und zwar jetzt: Ganz gleich, was andere Leute in deinem Kind sehen oder nicht sehen mögen, es wird immer in deinem Herzen regieren. Du wirst seinen Wert erkennen, lange bevor andere es tun, und wissen, dass die größte Gabe, die es besitzt, die ist, einfach es selbst zu sein. Ein Kind wurzelt in der Akzeptanz seiner Eltern. Dieses Geschenk hat dein Kind von dir schon bekommen.«
Seine Worte bewegten sie, als hätte er eine Prophezeiung ausgesprochen. Sie strahlte. »Ich kann es kaum erwarten, Kennits Gesicht zu sehen, wenn ich es ihm sage.«
Wintrow holte tief Luft. Gewissheit erfüllte ihn, und wenn Sa ihn jemals inspiriert hatte, dann in diesem Augenblick. »Ich rate dir, diese Neuigkeiten noch eine Weile geheim zu halten. Er hat im Moment so viele andere Dinge zu bedenken. Warte auf den Moment, in dem er es wirklich hören muss.«
»Vielleicht hast du in diesem Punkt Recht«, stimmte sie ihm bedauernd zu.
Aber Wintrow bezweifelte, dass sie auf ihn hören würde.
Der Sturm, der schon den ganzen Tag gedroht hatte, hatte sie mittlerweile eingeholt. Paragon hob den Kopf und schmeckte den letzten Regen, den er jemals erleben würde. Die Wellen schlugen gegen ihn, aber sie konnten ihn kaum erschüttern, während er von Stunde zu Stunde tiefer im Wasser lag. Das Hämmern gegen die Lukendeckel war schwächer geworden.
Die Ölfeuer, die Kennit auf ihm gelegt hatte, qualmten und stanken zwar in dem Regen, brannten aber weiter. Manchmal krachte es, wenn eine verbrannte Takelung nachgab und auf das Deck hinabstürzte. Paragon ignorierte es. Er versank in sich selbst, an einen Ort, der noch tiefer lag als der Grund des Meeres.
In seinem Inneren weinte Amber. Das war schwer zu ertragen. Ihm war nicht klargewesen, wie lieb er sie gewonnen hatte. Und Clef, und Brashen, der so stolz gewesen war, sein Kapitän sein zu dürfen. Entschlossen schob er diese Gedanken beiseite. Er durfte ihnen jetzt nicht nachgeben. Die Schiffszimmerin war so weit in den Bug gekrochen, wie sie unter Deck kommen konnte. Trotz der schmerzenden Verätzungen ihrer Haut zog sie sich durch das eiskalte Wasser, das in seine Laderäume strömte. Er wünschte, sie hätte sich dem Wasser hingegeben. Es hätte sie betäubt und wäre ein gnädigeres Ende gewesen. Aber sie lebte und klammerte sich an seinen Hauptsteven und redete schwach mit ihm. Er hielt sich jedoch von ihr fern.
Eine Seeschlange presste sich gegen ihn. »He, du Narr! Willst du einfach zulassen, dass sie das mit dir machen?« Der Tonfall der Kreatur war verächtlich. »Wach auf! Du hast genauso viel Recht zu leben wie sie.«
»Ich habe auch ein Recht darauf zu sterben«, konterte Paragon. Und dann wünschte er sich, er hätte nicht gesprochen, denn jetzt vernahm er auch Ambers gequälte Worte.
»Paragon. Paragon, ich möchte nicht sterben. Nicht so. Nicht, wo noch so viel von meiner Arbeit unvollendet ist. Bitte, Schiff. Bitte, mach das nicht!« Sie weinte, und ihre Tränen brannten ebenso scharf in seinem Holz wie Schlangengift.
»Niemand hat das Recht, unnütz zu sterben«, verkündete die Schlange. Paragon erkannte die Stimme jetzt. Sie gehörte dem Männchen, das die anderen Schlangen verhöhnt hatte, als sie ihn angegriffen hatten. Er drückte sich erneut gegen Paragon.
Es war sehr ärgerlich.
»Sterben ist das Nützlichste, was ich für Kennit tun kann.«
Paragon sagte diese Worte mehr zu sich selbst. Er bemühte sich, sich zusammenzureißen.
Die Schlange presste ihren Schädel gegen Paragons lauschenden Rumpf. »Ich rede nicht von irgendeinem ›Kennit‹. Ich spreche davon, nützlich für deine eigene Art zu sein. Blitz prahlt damit, dass sie allein uns nach Hause führen und uns schützen kann. Das glaube ich ihr nicht. Die Erinnerungen, die ich habe, sprechen von vielen Führern und Beschützern. Was eine gut zu tun vermag, können zwei gewiss besser bewerkstelligen. Warum ist sie so erpicht darauf, dich wegen dieses ›Kennit‹ zu töten? Warum kümmert ihr beide euch überhaupt um ihn?«
»Sie will, dass ich tot bin, um Kennit zufrieden zu stellen?«, fragte Paragon. Er verstand nicht. Es war sicherlich Kennits traurige, einsame Entscheidung. Das hatte nichts mit Viviace zu tun, oder mit Blitz, wie sie sich jetzt ja stolz nannte.
Es
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