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Zauberschiffe 06 - Herrscher der drei Reiche

Titel: Zauberschiffe 06 - Herrscher der drei Reiche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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über ihrem Kopf.
    »Viviace«, begrüßte sie das Schiff herzlich. »Ich bin wieder da. Ich bin gekommen, um dich nach Hause zu holen.«
    Die Wucht des Rückschlags schleuderte sie auf die Matratze zurück. Benommen blieb sie liegen und starrte auf den Balken über ihrem Kopf. Hatte sie sich den Kopf gestoßen? Aber das konnte nicht sein. Es hatte sie nichts getroffen, doch das Gefühl war genauso betäubend. Sie betrachtete ihre Handflächen und erwartete, dass sie gerötet wären. »Viviace?«, fragte sie vorsichtig. Erneut versuchte sie, das Schiff zu spüren, aber sie fühlte nichts.
    Sie nahm ihren Mut zusammen und streckte die Hände zu dem Balken aus. Einen Fingerbreit davon entfernt hielt sie inne. Der Widerstand strahlte von dem Holz aus wie Hitze von einem Feuer. Sie presste die Hände darauf. Es fühlte sich kalt wie Eis an. Kälte und sengende Hitze strahlten in ihre Finger, gefolgt von einer Betäubung, die sich rasend ausbreitete. Sie presste die Zähne zusammen und ließ ihre Hände, wo sie waren. »Viviace«, zischte sie zähneknirschend. »Schiff, ich bin's. Althea Vestrit. Ich bin deinetwegen hier.« Der Widerstand gegen ihre Berührung wurde noch größer.
    Ein Schlüssel drehte sich im Schloss, und die Tür wurde aufgestoßen. Althea warf dem Mann in der Öffnung einen forschenden Blick zu. Er war groß, sah gut aus und war vornehm gekleidet. Der Duft von Sandelholz umwehte ihn. Er hatte ein Tablett mit einer dampfenden Schüssel in der Hand.
    Sein schwarzes Haar glänzte, und sein Schnurrbart war sorgfältig gezwirbelt. An Hals und Handgelenken schimmerte weiße Spitze, und in seinem Ohr funkelte ein Diamant, um den ihn jeder Dandy beneidet hätte. Aber die breiten Schultern unter seiner gut geschnittenen blauen Jacke verrieten, dass er alles andere als affektiert war. Er stützte sich auf eine Krücke aus Messing und poliertem Holz, eher eine sorgfältig gewählte Ausrüstung denn eine Gehhilfe für einen Krüppel. Das musste Kennit sein.
    »Macht das nicht!«, warnte er sie, schloss die Tür hinter sich, stellte das Tablett auf den Tisch und durchquerte mit zwei humpelnden Schritten den Raum. »Nicht«, sagte ich. »Sie wird Euch nur wehtun.« Er packte ihre Handgelenke mit kräftigem Griff und zog sie von dem Balken fort. Althea fühlte sich plötzlich kraftlos, sowohl durch die Anstrengung als auch durch Viviaces Ablehnung. Sie wusste, was das Schiff mit ihr gemacht hatte. Es hatte in ihr ganz subtil jeden einzelnen Zweifel geweckt, den Althea jemals gehegt hatte, und in ihrem Verstand alle Erinnerungen ihrer Fehleinschätzungen, ihrer egoistischen oder dummen Handlungen aufgerührt, derer das Schiff jemals Zeuge gewesen war. Althea brannte vor Scham darüber, wie unwürdig sie war, noch während ihre Logik dem vehement widersprach.
    »Sie wird Euch nur wehtun«, wiederholte Kennit. Er hielt immer noch ihre Handgelenke fest. Nach einem vergeblichen Versuch, sich zu befreien, gab Althea schließlich auf. Er war stark. Es war besser, würdevoll nachzugeben, als wie ein widerborstiges Kind zu reagieren.
    Sie erwiderte den Blick seiner blassblauen Augen. Er lächelte sie beruhigend an und wartete. »Warum?«, wollte sie wissen.
    »Warum sollte sie versuchen, mir wehzutun? Sie ist mein Schiff!«
    Sein Lächeln verstärkte sich. »Und ich bin auch erfreut, Euch kennen zu lernen, Althea Vestrit. Offensichtlich erholt Ihr Euch rasch.« Er ließ seinen Blick ungeniert über sie gleiten. »Ihr seht erheblich besser aus als in dem Moment, als ich Euch aus dem Meer gefischt habe. Ihr habt eine beträchtliche Menge Seewasser auf mein sauberes Deck gekotzt.«
    Es war genau die richtige Mischung aus ironisch-geistreichen Kommentaren, um sie an ihre Manieren, an ihre Lage und an ihre Schuld ihm gegenüber zu erinnern. Sie ließ ihre Hände sinken, und sofort ließ er ihre Handgelenke los, wobei er ihre Hände beruhigend tätschelte. Ihre Wangen brannten.
    »Entschuldigt«, sagte sie ernst. »Ich vermute, Ihr seid Kapitän Kennit. Ihr habt sicherlich mein Leben gerettet, und ich danke Euch dafür. Aber dass mein eigenes Schiff mich zurückweist, ist…« Sie suchte nach einem passenden Wort. »Mehr als nur bestürzend«, schloss sie lahm.
    »Oh, das ist es gewiss.« Beiläufig streckte er die Hand aus und legte seine Handfläche gegen den silbrig schimmernden Balken. »Für Euch beide. Ihr müsst dem Schiff eine zweite Chance geben. Ich bin sicher, Ihr seid noch nicht wieder dieselbe Person, die Ihr wart,

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