Zauberschiffe 06 - Herrscher der drei Reiche
er die zweite Flosse aß, verzehrte sie den Rest des Seeelefanten. Diesmal fraß sie etwas langsamer, und ihr Vergnügen war deutlich sichtbar. Reyn knabberte das letzte Fleisch von den biegsamen Knochen und warf sie in die Glut. In den eiskalten Fluten wusch er sich das Fett von den Händen und schürte das Feuer erneut, als er zurückgekehrt war. Tintaglia seufzte zufrieden und streckte sich aus. Ihren Bauch hatte sie dem Feuer zugewandt. Reyn fühlte sich überraschend wohl zwischen dem Feuer und dem Drachen. Er lag auf seinem Umhang und schloss die Augen.
»Du bist anders, als ich mir die Menschen vorgestellt habe«, bemerkte Tintaglia.
»Du bist auch nicht so, wie ich mir einen Drachen vorgestellt habe«, entgegnete Reyn. Er seufzte zufrieden. »Fliegen wir beim ersten Sonnenlicht?«
»Selbstverständlich. Obwohl ich noch hier bleiben und einige von diesen Seeelefanten erlegen würde, wenn es nach mir ginge.«
»Du kannst doch nicht immer noch hungrig sein.«
»Nicht jetzt. Aber man sollte immer für das Morgen vorsorgen.«
Eine Weile schwiegen sie. »Wirst du noch größer werden, als du jetzt schon bist?« Reyn musste die Frage einfach stellen.
»Natürlich. Warum wohl auch nicht?«
»Ich dachte nur… Na ja, du kommst mir schon so ziemlich groß vor. Wie groß werden Drachen denn eigentlich?«
»Wir wachsen, so lange wir leben. Also kommt es darauf an, wie lange ich lebe.«
»Und wie alt wirst du?«
Sie schnaubte amüsiert. »So alt, wie ich kann. Wie lange lebst du?«
»So etwa… achtzig Jahre wären ein gutes, langes Leben. Aber nur wenige Regenwildleute werden so alt.« Er versuchte, sich mit seiner eigenen Sterblichkeit auseinander zu setzen.
»Mein Vater ist mit dreiundvierzig gestorben. Wenn ich Glück habe, habe ich noch zwanzig Jahre vor mir. Das genügt, um Kinder zu zeugen und sie durch ihre Kindheit zu begleiten.«
»Ein Husten der Zeit.« Tintaglia streckte sich träge. »Ich vermute, dass sich deine Jahre erheblich länger erstrecken, jetzt, da du mit einem Drachen gereist bist.«
»Du meinst, es wird mir so vorkommen?« Reyn versuchte, ihren verwirrenden Worten eine gewisse Heiterkeit abzugewinnen.
»Nein, ganz und gar nicht. Weißt du denn überhaupt nichts? Glaubst du wirklich, dass ein paar Schuppen und bronzefarbene Augen alles sind, was ein Drache mit seinen Gefährten teilt? So wie du einige meiner Eigenschaften angenommen hast, werden sich auch deine Lebensjahre verlängern. Es würde mich nicht überraschen, dich weit älter als hundert Jahre werden zu sehen und dabei immer noch im Vollbesitz deiner körperlichen Kräfte zu erleben. Jedenfalls war es so bei den Altvorderen. Einige von ihnen wurden dreibis vierhundert Jahre alt. Allerdings konnten sie sich natürlich auch auf Generationen von Berührungen mit Drachen stützen.
Du wirst vielleicht nicht so lange leben, wohl aber deine Kinder.«
Reyn setzte sich auf. Er war plötzlich hellwach. »Verspottest du mich?«
»Selbstverständlich nicht. Warum sollte ich das tun?«
»Nein. Ich dachte nur… Ich bin nicht sicher, ob ich so lange leben möchte.« Er schwieg eine Weile und stellte sich vor, wie er zusah, wie seine Mutter und sein älterer Bruder starben. Das war erträglich. Schließlich erwartete man, seine Eltern sterben zu sehen. Aber was würde werden, wenn er mit ansehen musste, wie Malta älter wurde und schließlich starb? Und wenn sie Kinder hatten und er erleben musste, wie auch sie schwächer wurden und schließlich vergingen, während er rüstig und geistig rege blieb? Eine verlängerte Lebensspanne schien ihm eine zweifelhafte Belohnung dafür, dass er der Gefährte eines Drachen gewesen war. Seinen nächsten Gedanken sprach er laut aus. »Ich würde all die Jahre, auf die ich hoffe, für ein einziges geben, das ich sicher mit Malta erleben könnte.«
Ihren Namen auszusprechen war wie eine magische Beschwörung. Er sah sie vor seinem inneren Auge, ihr prächtiges schwarzes Haar, wie ihre Augen geglänzt hatten, als sie ihn anblickte. Seine tückische Erinnerung führte ihn zurück zum Erntedankball, wo er sie in seinen Armen gehalten hatte, als sie über den Tanzboden gewirbelt waren. Es war ihr Einführungsball gewesen, und er hatte ihr nur einen einzigen Tanz geschenkt, bevor er davongestürmt war, um die Welt zu retten. Stattdessen hatte er alles verloren, einschließlich Malta.
Er erinnerte sich an das Gefühl ihrer kleinen Finger in seiner Hand. Ihr Scheitel reichte gerade bis an sein Kinn. Der
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