Zauberschiffe 06 - Herrscher der drei Reiche
Gedanke an Malta auf einer chalcedeanischen Galeone überkam ihn. Wie sich Chalcedeaner schutzlosen Frauen gegenüber verhielten, war hinlänglich bekannt. Schreckliche Angst und kochende Wut tobten in ihm. Danach fühlte er sich schwach und überflüssig. Es war allein seine Schuld, dass sie in Gefahr geraten war. Das konnte sie ihm nicht vergeben. Er würde nicht einmal wagen, sie darum zu bitten. Selbst wenn er sie retten und sicher nach Hause bringen konnte, bezweifelte er, dass sie auch nur seine Gegenwart ertragen würde. Er war verzweifelt.
»Was für einen Sturm von Gefühlen ihr Menschen auslösen könnt, und das alles nur aufgrund von Vorstellungen«, bemerkte die Drachenkönigin verächtlich. Nachdenklicher fuhr sie fort: »Macht ihr das, weil ihr ein so kurzes Leben lebt? Erzählt ihr euch deshalb selbst so wilde Geschichten, was morgen passieren könnte, und empfindet all die Gefühle, die niemals wirklich eintreten? Vielleicht erfindet ihr ja Zukünfte, die sich niemals erfüllen, um euch für die Vergangenheiten zu entschädigen, die ihr niemals erinnern könnt.«
»Vielleicht«, gab Reyn zögernd zu. Ihre Belustigung kränkte ihn. »Vermutlich müssen Drachen keine Zukunft erfinden, weil sie so viele Vergangenheiten haben, aus denen sie schöpfen können.«
Sie gab ein kehliges Geräusch von sich, und Reyn wusste nicht genau, ob es Belustigung oder Ärger über seinen Seitenhieb ausdrückte. »Ich brauche mir keine Zukunft auszudenken. Ich kenne die Zukunft. Die Drachen werden wieder ihren rechtmäßigen Platz als Herren der Drei Reiche einnehmen. Wir werden erneut den Himmel, das Meer und das Land beherrschen.« Sie schloss die Augen.
Reyn dachte über ihre Worte nach. »Und wo ist dieses Land der Drachen? Flussaufwärts von Trehaug, hinter der Regenwildnis?«
Sie öffnete träge ein Auge. Diesmal war er sicher, dass es amüsiert funkelte. »Das Land der Drachen? Als wenn es nur ein kleines Gebiet gäbe, das durch Grenzen eingezäunt wäre. Eine solche Zukunft können sich wirklich nur Menschen vorstellen. Wir regieren den Himmel. Wir regieren das Meer.
Und wir regieren das Land. Alles Land. Überall.« Das Auge schloss sich langsam.
»Und was wird aus uns? Was ist mit unseren Städten, unseren Höfen, unseren Feldern und Weinbergen?«
Die schweren Lider öffneten sich wieder. »Was soll damit sein? Die Menschen werden fortfahren, sich mit anderen Menschen darüber zu streiten, wer seine Ernte wohin tun kann und welche Kuh wem gehört. So sind Menschen eben. Drachen wissen es besser. Was auf der Erde umherkreucht, gehört dem, der es zuerst schlägt. Meine Beute ist meine Nahrung. Deine Beute gehört dir. So einfach ist das.«
Vorher hatte er beinahe so etwas wie Liebe zu ihr empfunden.
Er hatte das blaue Funkeln bewundert, als sie durch den Himmel flog. Sie war ihm zu Hilfe gekommen, als der Seeelefant ihn töten wollte. Sein Tod hätte sie von ihrem Versprechen befreit. Selbst jetzt ruhte er in dem Schutz, den ihr Körper und das Feuer ihm boten. Aber wann immer sie eine wirkliche Nähe teilten, sagte sie etwas so Arrogantes und Fremdartiges, dass er nur Wachsamkeit ihr gegenüber empfand. Er schloss die Augen, konnte jedoch nicht einschlafen. Stattdessen dachte er darüber nach, was er da auf die Welt losgelassen hatte. Wenn sie ihr Wort hielt und Malta rettete, musste er auch seines halten. Er stellte sich vor, wie Seeschlangen sich in Drachen verwandelten und noch mehr Drachen aus der versunkenen Stadt aufstiegen. Führte er um einer einzigen Frau willen die gesamte Menschheit in die Sklaverei?
Er konnte es noch so sehr versuchen, aber ihm kam der Preis nicht zu hoch vor.
Malta klopfte an die Tür und trat dann ein, ohne zu warten. Sie stieß einen empörten Ruf aus und durchquerte mit zwei Schritten den Raum. Sie zog den Vorhang auf. »Ihr solltet nicht im Dunkeln herumliegen und Euch bemitleiden!«, tadelte sie Cosgo streng.
Er sah von seiner Matratze hoch. Seine Augen hatte er fast ganz zugekniffen. »Ich sterbe«, beschwerte er sich heiser.
»Und niemanden interessiert es. Er lässt das Schiff absichtlich so schaukeln, das weiß ich ganz genau. So kann er mich vor der gesamten Mannschaft verhöhnen.«
»Nein, das tut er nicht. Die Motley bewegt sich nun einmal so. Er hat es mir gestern Abend beim Essen gezeigt. Es hat etwas mit der Form ihres Rumpfs zu tun. Wenn Ihr an Deck kämt, etwas frische Luft atmen und auf das Wasser blicken würdet, könnte Euch die Bewegung nicht so
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