Zauberschiffe 06 - Herrscher der drei Reiche
ihm. Er war von der Stirn bis zum Hals tätowiert.
Kapitän Reds Tätowierung war subtiler. Sie bestand aus gelber Tinte, und man konnte sie nur sehen, wenn man wusste, wo genau man suchen musste. Da Schauspieler-und Musikersklaven wertvolle Besitztümer waren, sahen ihre Eigner meist von zu auffälligen Tätowierungen ab, damit sie nicht von den Darbietungen ablenkten. Die Mannschaft der Motley setzte sich zu einem großen Teil aus Mitgliedern einer Schauspieltruppe zusammen, die von Kapitän Kennit befreit worden war.
Auf ein Zeichen des Kapitäns begann der Schiffsjunge mit dem Servieren. Auch das schneeweiße Leinentuch, das schwere Porzellan und die glitzernden Kristallleuchter konnten die Schlichtheit des Mahles nicht verbergen. Schiffsessen unterschied sich nur geringfügig von Schiff zu Schiff, hatte Malta herausgefunden. Das Brot war hart, das Fleisch gepökelt, und als Gemüse gab es hauptsächlich Wurzeln. Wenigstens bestand ihr Essen auf der Motley nicht aus den Resten eines anderen, und sie aß mit Besteck von einem Teller. Der Wein jedoch stammte von einem erbeuteten chalcedeanischen Schiff und übertraf die Qualität der Speisen bei weitem.
Außerdem wurde am Tisch geplaudert, und auch wenn es nicht gerade hochgestochen zuging, waren die Gespräche doch zumindest kultiviert und geistreich, was vermutlich an der Zusammensetzung der Mannschaft lag. Weder die Sklaverei noch die Piraterie hatten ihre Intelligenz oder ihren Hang zur Selbstdarstellung brechen können. Da sie kein Theater mehr hatten, war der Mittagstisch zu ihrer Bühne geworden, und Malta war ihr Publikum. Die Männer wetteiferten darin, sie zum Lachen zu bringen oder sie zu erschrecken. Geistreiche Bemerkungen wurden bei Tisch ebenso erwartet wie exzellente Manieren. Hätte Malta es nicht besser gewusst, wäre sie niemals auf die Idee gekommen, dass dieselben gebildeten Männer, die amüsante Scherze rissen und mit Worten parlierten, auch blutrünstige Piraten und ohne weiteres fähig waren, jede Menschenseele auf einem feindlichen Schiff abzuschlachten. Malta hatte das Gefühl, dass sie einen Hochseilakt vollführte, wenn sie mit ihnen dinierte. Sie behandelten sie zwar mit ausgesuchter Höflichkeit, aber Malta vergaß nie, dass sie ihre Gefangene war. Dennoch hätte sie niemals erwartet, dass ihre gesellschaftlichen Umgangsformen, die sie als Tochter einer Bingtowner Händlersippe gelernt hatte, ihr hier so gut zustatten kommen würden.
Doch während sie geistreich über die wahre Bedeutung des Sohns der Witwe in Redoiefs Komödien parlierte oder Saldons Sprachbeherrschung gegen seinen bedauernswerten Mangel an dramatischem Fingerspitzengefühl abwog, sehnte sie sich danach, das Gespräch auf informativere Themen zu lenken.
Ihre Chance kam jedoch erst am Ende des Essens. Nachdem die anderen sich entschuldigten und die Tafel verließen, wandte der Kapitän seine ganze Aufmerksamkeit Malta zu.
»Unser werter Magnadon Satrap Cosgo sieht sich also erneut außerstande, uns bei Tisch Gesellschaft zu leisten?«
Malta ließ sich Zeit mit der Antwort. »Kapitän, ich fürchte, er ist immer noch unpässlich. Seine vornehme Erziehung hat ihn bedauerlicherweise nicht auf die Widrigkeiten einer Seereise vorbereitet.«
»Seine Erziehung hat ihn auf gar keine Widrigkeiten vorbereitet. Gebt lieber zu, dass er unsere Gesellschaft verschmäht.«
»Seine Gesundheit ist ausgesprochen anfällig, und seine Lage bekümmert ihn«, antwortete Malta beiläufig. Sie wollte nicht abfällig über den Satrapen sprechen. Wenn sie sich gegen ihn stellte, würde sie vielleicht nicht mehr länger als seine loyale und vielleicht auch wertvolle Helferin betrachtet werden. Sie räusperte sich dezent. »Er hat erneut um Rauchkräuter gebeten, damit sie seine Seekrankheit lindern.«
»Pah! Sie wirken nicht gegen Seekrankheit, außer dass sie einen Mann so sehr berauschen, dass er sich nicht mehr darum kümmert. Ich habe Euch schon gesagt, dass wir an Bord keine dulden. Es waren Schulden für Rauchkräuter und ähnliche Amüsements, die unsere kleine Gruppe in den Schraubstock eines Tätowierers gebracht haben.«
»Das habe ich ihm erzählt, Kapitän. Aber er glaubt mir leider nicht.«
»Er sehnt sich so sehr danach, dass er sich nicht vorstellen kann, dass wir ohne sie auskommen«, höhnte der Kapitän.
Dann räusperte er sich, und sein Verhalten veränderte sich. »Er würde gut daran tun, uns morgen Gesellschaft zu leisten. Wir würden gern mit ihm über die
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