Zauberschiffe 06 - Herrscher der drei Reiche
schloss die Augen und hielt die Luft an. Sie versuchte, die Lippen zu bewegen, als würde sie den Kuss erwidern, aber sie konnte sich gut vorstellen, wie das enden würde. Plötzlich war er der chalcedeanische Seemann, der sich zwischen ihre Beine kniete. Sie befreite sich aus seinem Griff und schnappte nach Luft. »Nein, bitte nicht!«
Er hörte sofort auf. »Ich werde Euch nicht zwingen, keine Angst. Ich habe es nicht nötig, irgendeine Frau zu zwingen. Aber ich hätte nichts dagegen, Euch zu helfen, Eure Furcht zu überwinden. Dennoch möchte ich Euch nicht drängen.« Er streckte die Hand aus und strich mit dem Finger über ihr Kinn.
»Eure Haltung und Eure Manieren zeigen, dass ihr sehr behütet erzogen wurdet. Aber wir sind beide das, was das Leben aus uns gemacht hat. Es gibt keinen Weg zurück zur Unschuld der Vergangenheit. Mein Rat mag Euch hart vorkommen, aber ich gebe ihn Euch aus eigener Erfahrung. Ihr seid nicht mehr die jungfräuliche Tochter Eures Vaters, die sich für eine gut ausgehandelte Ehe aufspart. Das ist vorbei. Also akzeptiert Euer neues Leben mit ganzem Herzen. Genießt die Freuden und die Freiheit, die es Euch anstelle Eurer alten Träume von einer ordentlichen Hochzeit und einem Platz in der vornehmen Gesellschaft bietet. Malta, die Bingtowner Händlertochter, ist fort. Werdet Malta von den Pirateninseln. Ihr findet vielleicht ein schöneres Leben als Euer altes.« Seine Finger glitten sanft von ihrem Kinn zu der Höhlung ihres Halses.
Sie zwang sich dazu, ruhig stehen zu bleiben, während sie ihre letzte Waffe ins Feld warf. »Der Smutje hat mir gesagt, dass eine Frau und drei Kinder auf Euch in Bullenbach warten. Ich fürchte, dass die Leute reden werden. Und das könnte Eurer Frau sehr wehtun.«
»Die Leute reden immer«, versicherte er ihr, und seine Finger spielten mit ihrem Kragen. »Meine Frau schenkt dem keine Beachtung. Sie meint, es wäre der Preis dafür, dass sie einen so gut aussehenden und klugen Ehemann hat. Denkt nicht an sie, genauso wenig wie ich das tue. Sie haben nichts mit dem zu schaffen, was auf diesem Schiff geschieht.«
»Wirklich nicht?«, fragte sie ruhig. »Wenn Eure Tochter von den chalcedeanischen Sklavenhändlern entführt worden wäre, würdet Ihr ihr denselben Rat geben? Mit ganzem Herzen das zu werden, was sie aus ihr gemacht hätten? Würdet Ihr Eurer Tochter sagen, dass ihr Vater sie niemals mehr akzeptieren würde, weil sie nicht mehr seine jungfräuliche Tochter wäre? Würde es Euch nichts ausmachen, wie oft sie vergewaltigt worden wäre oder von wem?« Sie hob ihr Kinn.
»Verdammt!«, fluchte er, aber seine Stimme hatte einen bewundernden Unterton. Seine Augen glitzerten vor Enttäuschung, aber er ließ Malta los. Sie trat erleichtert von ihm zurück. »Ich werde dem Satrapen die Namen entlocken«, bot sie ihm als Ausgleich an. »Ich bin sicher, dass er versteht, dass sein Leben davon abhängt, wie viel er aus seinen Adligen herauspressen kann. Er hält sehr viel von seinem eigenen Leben. Ich bin davon überzeugt, dass er sehr großzügig mit ihrem Geld umgehen wird.«
»Das sollte er auch.« Kapitän Red gewann zusehends seine Fassung wieder. »Um auszugleichen, wie knausrig Ihr mit der weiblichen Münze umgeht.«
Malta lächelte ihn an. Es war ein echtes Lächeln, und sie gestattete sich sogar einen kecken Hüftschwung, als sie aus seiner Kajüte rauschte.
7. Händler der Vestrit-Familie
Ein Holzfeuer aus Treibgut brannte im Kamin und schaffte es beinahe, den kahlen Raum zu wärmen. Es würde eine Weile dauern, bis die Winterkälte ganz aus dem großen Haus vertrieben war. Es war erst seit einigen Wochen unbewohnt gewesen, doch es verblüffte Keffria, wie schnell ein Haus kalt werden und ungenutzt erscheinen konnte.
Die Hausarbeit tröstete sie. Indem sie die Räume säuberten und aufräumten, gewannen sie allmählich wieder die Kontrolle über das Haus zurück. Keffria stand langsam auf und ließ ihren Feudel in den Wassereimer fallen. So. Sie sah sich in ihrem Schlafzimmer um, während sie sich die schmerzende Hand rieb. Die Wände waren mit Kräuterwasser abgewischt worden, und der Boden war geschrubbt. Der feuchte Staub und der muffige Geruch waren verschwunden… Aber auch jede Spur ihres früheren Lebens. Als sie in ihr Heim zurückgekehrt war, hatte sie feststellen müssen, dass ihr Bett, das sie mit Kyle geteilt hatte, ihre Kleiderkisten und ihre gesamte Garderobe verschwunden waren. Vorhänge und Gobelins fehlten ebenfalls
Weitere Kostenlose Bücher