Zauberschiffe 06 - Herrscher der drei Reiche
klang. »Ich habe so etwas nicht getan. Sie mag mich. Sie ist eine Frau.«
»Und deshalb ist es erlaubt?«
»Natürlich. Es ist natürlich. Es ist etwas vollkommen anderes als das, was mir widerfahren ist!«
»Sir?«, fragte der Mann am Ruder.
Kennit drehte sich gereizt um. »Was?«
»Entschuldigt, Sir. Ich dachte, Ihr hättet mit mir gesprochen, Sir.« Das Weiße in den Augen des Mannes glänzte. Er wirkte verängstigt.
»Habe ich nicht. Kümmere dich um deine Aufgabe und lass mich in Ruhe.« Wie viel hatte dieser Trottel mit angehört? Es spielte keine Rolle. Wenn er zu einem Problem wurde, konnte Kennit ihn verschwinden lassen. Er würde ihn unter irgendeinem Vorwand über die Planke schicken. Niemand würde es jemals herausfinden. Kennit hatte niemanden zu fürchten und würde auch niemanden fürchten. Heute hatte er den letzten seiner Dämonen gebannt.
Das Amulett an seinem Handgelenk schwieg, und schließlich wurde dieses andauernde Schweigen anklagender als Worte.
»Sie ist eine Frau«, flüsterte Kennit schließlich. »So etwas passiert Frauen ständig. Sie sind daran gewöhnt.«
»Du hast sie vergewaltigt.«
Er lachte. »Wohl kaum. Sie mag mich. Sie hält mich für höflich und für einen Gentleman.« Er atmete tief ein. »Sie hat sich nur gewehrt, weil sie eben keine Hure ist.«
»Warum hast du es wirklich getan, Kennit?«
Diese Frage war erbarmungslos. Wusste das Amulett, dass ihm dieselbe Frage ständig durch den Kopf ging? Er hatte geglaubt, er würde aufhören. Er hatte sogar aufgehört, bis sie angefangen hatte, im Dunkeln zu weinen. Wenn sie das nicht getan hätte, wäre er vielleicht in der Lage gewesen zu gehen.
Also war es genauso ihre Schuld wie seine. Vielleicht… Kennit bemühte sich um eine Antwort. »Vielleicht«, sagte er sehr leise, »damit ich endlich verstehen konnte, warum er es mir angetan hat. Wie konnte er mir das antun? Wie konnte er ständig zwischen Freundlichkeit und Brutalität schwanken, zwischen Lektionen in Etikette und seinen Wutanfällen…?«
Kennit verstummte.
»Du mieser, erbärmlicher Mistkerl!« Das Amulett stieß die beschuldigenden Worte langsam hervor. »Du bist Igrot geworden. Weißt du das ? Um das Monster zu besiegen, bist du zu einem Monster geworden.« Die winzige Stimme wurde noch schwächer. »Jetzt musst du dich nur noch vor dir selbst fürchten.«
Etta warf ihre Stickarbeit hin. Wintrow blickte von seinem Buch auf, seufzte dann nahezu unhörbar, legte es auf den Tisch und wartete.
»Ich liebe ihn. Aber das heißt noch lange nicht, dass ich dumm bin, was ihn betrifft.« Sie sah Wintrow durchdringend an. »Er ist wieder bei ihr, hab ich Recht?«
»Er hat ihr ein Tablett mit Essen gebracht«, sagte Wintrow.
Sie waren vor vier Tagen zur Viviace zurückgekehrt, und Ettas Launen waren immer unberechenbarer geworden. Vermutlich lag das an der Schwangerschaft, aber als seine Mutter mit Selden schwanger ging, war sie so zufrieden wie eine fette, schnurrende Katze gewesen. Jedenfalls, soweit er sich erinnern konnte. Und das war nicht sonderlich viel. Vielleicht liegt es ja auch nicht an ihrer Schwangerschaft, dachte er. Vielleicht ist Kennits merkwürdiges, abwesendes Verhalten der Grund.
Vielleicht ist es auch nur blanke Eifersucht wegen der vielen Zeit, die Kennit mit Althea verbringt. Er betrachtete Etta verstohlen und fragte sich, ob sie noch etwas anderes herumwerfen würde als nur ihr Stickzeug.
»Ich habe vorgeschlagen, dass sie mit uns essen könnte. Er meinte, sie fühle sich noch schwach. Aber als ich angeboten habe, ihr das Tablett zu bringen, meinte er, er habe Angst, dass sie mir etwas antun könnte. Verstehst du das?«
»Es scheint da einen Widerspruch zu geben«, erklärte Wintrow zögernd. Solche Gespräche waren gefährlich.
Während sie Kennit nach Herzenslust kritisieren und anklagen durfte, reagierte sie auf jedes kritische Wort von ihm normalerweise mit einem Hagel von Schimpfworten.
»Hast du mit ihr gesprochen?«, wollte Etta wissen.
»Nein, habe ich nicht.« Er wollte nicht zugeben, dass er es versucht hatte. Aber die Tür war von außen abgeschlossen gewesen. Vorher war noch kein solches Schloss an dieser Tür gewesen. Also musste Kennit es befestigt haben, nachdem er Althea dort eingesperrt hatte. Und auf seinen leisen Ruf hatte es keine Antwort gegeben.
Etta starrte ihn ruhig an, aber er würde ihr keine weiteren Informationen geben. Er hasste es, sie so zu sehen, so aufgebracht und so verletzt. Wider besseres
Weitere Kostenlose Bücher