ZECKENALARM IM KARPFENLAND
Dennoch, ihm kam es gar nicht so warm vor. Im Gegenteil, er fröstelte leicht und verspürte leichte Nackenschmerzen. „Beschdimmd habbi mier mid dera Glimaanlaach im Audo an Zuuch ghuld! Die neiesde Dechnig is aa ned immer grood des Besde fier die Gsundheid“, ging es ihm durch den Kopf. Johannes Sapper war mit seinem neuen Audi Q3 unterwegs. Mit schicker Zusatzausstattung hatte er zweiundfünfzigtausend Euro auf den Tisch des Audihändlers geblättert. Lange genug hatte er auf seine Schwester eingeredet, ihm das Geld zu „leihen“. Schließlich hatte sie doch nachgegeben und ihm das Geld vorgestreckt.
Johannes Sapper hielt sich rechts, als er aus dem Geschäft von Käthe Wohlfarth trat, lief am alten Rathaus vorbei und bog die nächste Straße erneut rechts ab. Er wollte zum Plönlein, dem meist fotografiertem Postkartenmotiv Rothenburgs. Er berührte mit den Handrücken seine Wangen. Sein Kopf fühlte sich heiß an. Hoffentlich bekam er kein Fieber. Das würde ja gerade noch passen, mitten im Sommer und gleich zu Anfang seines Urlaubs! Doch egal, wie’s kam, er würde sich in seinem Urlaub nicht ins Bett legen. Kam überhaupt nicht in Frage! „Was allaans kummd, vergehd aa widder vo allaans. Dees woar scho immer su.“ Sein Arzt meinte zwar, er hätte ein angegriffenes Immunsystem, seit ihn vor drei Jahren das Pfeiffersche Drüsenfieber gepackt hatte, „abber der ist suwiesu bloß a alder Gwacksalber“, beruhigte er sich innerlich. Mehr als Rezepte verschreiben konnte der auch nicht. „Do dringi heid auf der Nachd an haaßn Grogg, schwidz gscheid und schloof a weng länger. Morgn früh is beschdimmd scho besser und dann foahr iech nach Dinglsbühl und dann weider zum Schloss Neuschwanschdein.“
Johann Sapper machte sich weiter auf den Weg zum Plönlein, quälte sich anschließend die alte Stadtmauer hinauf, fotografierte den malerischen Markusturm und schleppte sich, von Schüttelfrost gebeutelt, durch die malerischen Altstadtgassen der mittelalterlichen Innenstadt. Zum Mittagessen bestellte er sich einen Schweinebraten mit rohen Klößen, dazu einen gemischten Salat. Der Braten war sehr schmackhaft, aber irgendwie hatte er heute keinen rechten Appetit. Lustlos stocherte er in seinem Essen herum. Selbst das Weizenbier schmeckte ihm nicht wie sonst. Nachmittags um drei Uhr entdeckte er auf seiner rechten Hand eine kleine Blutung unter der Haut. Er konnte sich gar nicht erklären, wo er da angestreift war. Auf der Stadtmauer? An einem Sandsteinblock? Das Laufen fiel ihm immer schwerer, und er hatte das Gefühl, als würde ihm jeder einzelne Muskel seines Körpers grausame Schmerzen bereiten. Er betrat einen kleinen Supermarkt und suchte das Regal mit den Spirituosen. Eine kleine Flasche Rum hielt er lange in den Händen, dann stellte er sie an ihren Platz zurück. Er entschied sich doch für den dreiviertel Liter. Anschließend eilte er, von Gliederschmerzen getrieben in sein Hotel zurück. Für heute hatte er genug gesehen. Morgen ist auch noch ein Tag. Heute gehörte er frühzeitig ins Bett. Das Abendessen würde er ausfallen lassen. Er hatte eh‘ keinen Hunger. Im Hotel angekommen, ließ er zur Hälfte sehr heißes Wasser in sein Zahnputzglas laufen und füllte das Glas bis zum Rand mit Rum. Er gab aus dem Päckchen Würfelzucker, welches er ebenfalls aus dem Supermarkt mitgenommen hatte, zwei Stücke in das Getränk und rührte um. „Ah, dees dud gud!“ Er betrachtete das Glas, welches er mehr als halb leer getrunken hatte. Er füllte erneut Rum und Wasser nach. Dann zog er sich aus und sank in sein Bett. Er schlief sofort ein.
Zwanzig Minuten nach Mitternacht erwachte er plötzlich, von heftigen Bauchschmerzen gequält. Er schaffte es gerade noch bis zur Toilette und erbrach sein Mittagessen, welches mit dünnem Blut vermischt war, in die Toilettenschüssel. Doch das registrierte Johannes Sapper gar nicht bewusst. Ihm war von den heftigen Schmerzen extrem übel.
Füssen, Donnerstag 23. August 2012
Nachmittags, um fünfzehn Uhr, checkte Johannes Sapper in seinem Hotel in Füssen ein. Dinkelsbühl hatte er ausgelassen. Auch nach einem Besuch der Schlösser Hohenschwangau und Neuschwanstein war ihm im Moment gar nicht zumute. Er war heilfroh, dass er überhaupt lebend im Allgäu ankam. Die Fahrt war eine einzige Quälerei. Vielleicht wäre es doch besser gewesen, von Rothenburg wieder nach Röttenbach zurückzufahren und sich in ärztliche Behandlung zu begeben? Gott sei Dank geriet er unterwegs
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