ZECKENALARM IM KARPFENLAND
Multiples Organversagen gehört zu den natürlichen Todesarten. Der Todeszeitpunkt lässt sich aufgrund der deutlich ausgeprägten Totenflecken auf den Zeitraum zwischen 15:30 bis 16:30 Uhr eingrenzen. Ihr Bruder ist friedlich entschlafen. Ich muss Sie nun bitten, mir noch Angaben zur Feststellung der Identifikation des Verstorbenen zu geben. Danach kann ich den Totenschein ausstellen und Ihnen, als Totensorgeberechtigte, übergeben. Ich möchte Ihnen beiden nochmals mein besonderes Beileid aussprechen.“
Röttenbach, in Kunigunde Holzmanns Küche, Sonntag 26. August 2012
Die traurige Nachricht von Johannes Sappers Tod verbreitete sich im Dorf mit der Geschwindigkeit eines afrikanischen Buschfeuers. Theresa Fuchs saß mit verheulten Augen in Kunigunde Holzmanns Küche und berichtete im Detail, was sie von ihrem Sohn und ihrer Schwiegertochter erfahren hatte. Die Kunni und ihre Freundin Retta lauschten dem Bericht, ohne Theresa Fuchs zu unterbrechen. Als diese ihre Schilderungen beendet und sich nochmals kräftig in ihr Tempotaschentuch geschnäuzt hatte, holte Kunni Holzmann tief Luft. „Wissd iehr, an was miech dees erinnerd?“ fragte sie die beiden Anwesenden.
„Naa, an was denn?“, wollte die Theresa schniefend wissen.
„An den Zeidungsberichd vor annerhalb Monad.“
„An wos fier an Zeidungsberichd?“ Die Retta konnte mit der Aussage ihrer Freundin nichts anfangen.
„No, vor annerhalb Monad hams doch sugor in die Nachrichdn darieber berichded, dass in Erlang under der Kanalbrüggn an dodn Obachlosn gfunna ham, der sich mid aner gefährlichn Grangheid ogschdeggd ghabd had und dro gschdorbn is. Die Gsundheidsbehördn sen doch damals fasd ausgflibbd, weils der Meinung woarn, dass der von ausländischn Zeggn gschdochn woarn is, dies bei uns goar ned gibd.“
„Schdimmd“, bestätigte die Retta. „Do hammer sugor nu drieber gred. Abber was haddn der Dode under der Kanalbrüggn midn Hanni zu du? Dees habbi nunni begriffn?“
„No, der Grangheidsverlauf und die Mergmale, die bei dem dodn Obdachlosn aufdredn sen und worieber in der Zeidung ausgiebich gschriebn worn is, und dees, was uns die Deres grod vom Hanni derzähld had, dees gleichd si doch wie aa Ei dem andern. Und die Deres had doch grood gsachd, aufm Dodnschein schdehd ‚ausgelösd durch eine schwere Infegdzion’. Abber was fier a Infegdzion, schehd ned drauf!
„Du maansd“, folgerte die Retta, „der Hanni Sapper is aa vo die ausländischn Zeggn gschdochn woarn?“
„Dees maani zwoar ned, abber dees is doch ka Zufall, dass bei uns in der Gegnd zwaa Menschn innerhalb kürzesder Zeid an aner misderiösn Infegdzion schderbn. Der Kommissar Leitmayr glabd aa ned an Zufäll! Werd denn die Leich vom Hanni nu undersucht?“, wollte die Kunni wissen.
„Warum solld die denn undersuchd wern?“, wunderte sich Theresa Fuchs, „der Hanni, Godd sei seiner Sööl gnädich, is doch einen nadürlichn Dod gschdorbn. Schdehd doch aufm Dodnschein.“
„Dees scho“, bestätigte die Kunni, „abber dees hasd nu lang ned, dass ka unglare Ergrangung die Ursache fier sein Dod gwesn sei könnd.“
„Aber der Dogder had doch …“
„Ach babberlabab deer Dogder …! Der Dogder is doch ka Schbezialisd! Dees is doch bloß a Hausarzd! Der had doch ka Ahnung vo gefährliche Infegdziona. Der waß doch selber ned, warum der Hanni su schnell gschdorbn is. Auf unsera Geburdsdoochfeier woar der doch nu budzmunder. Bis zum Schluss. Do maani missmer numal mid deiner Schwiegerdochder, der Julia und deim Bruno redn. Die kennas ja offensichdlich aa nu ned begreifen, woran der Hanni gschdorbn is. Also iech an denna ihrer Schdell däd scho ganz genau wissen wolln, woran mei Bruder dahingeschiedn is. Sunsd kummsd doch immer widder ins Grübln. Dees lässd der doch kaa Ruh, wennsd schdändich dro dengsd, was der Grund fier sein Dod gwesn sei könnd. Habbi ned rechd?“, wollte die Kunni wissen und sah in die betretenen Gesichter von Retta und Theresa.
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Die Neuigkeit, die in Röttenbach die Runde machte, bekam natürlich auch der Mörder mit. Höchstzufrieden blickte er auf das Aquarium, in dem sich seine Hyalomma-Zecken auf den Grashalmen tummelten. Sie hatten mal wieder perfekte Arbeit geleistet. Genauso wie er. Niemand schöpfte Verdacht. Der trottelige Hausarzt spielte ihm perfekt in die Hände! Im Nachhinein ärgerte er sich, dass er einen Teil seiner kostbaren Lieblinge auf der Streuobstwiese im Fränkischen Freilandmuseum, in Bad Windsheim ausgesetzt hatte.
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