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ZECKENALARM IM KARPFENLAND

ZECKENALARM IM KARPFENLAND

Titel: ZECKENALARM IM KARPFENLAND Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Rosenzweig
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dazu sagen.“
    Die Reporter des NT bleiben dran und berichten weiter.
Röttenbach, in der Turnhalle der Grundschule, Donnerstag, 30. August 2012
    Einhunderteinundfünfzig Menschen verteilten sich auf der Fläche der Röttenbacher Schulturnhalle. Einige standen in Grüppchen herum und diskutierten. Andere saßen auf eiligst herbeigeschafften Liegen. Sie lasen, unterhielten oder langweilten sich. Sandra Millberger diskutierte mit Michael Hausman über das bayerische Bildungswesen an weiterführenden Schulen. Jupp Hochleitner versuchte herauszufinden, wo es Weizenbier und Williams-Christbirne gab. Klaus Baumüller, Benno Ammon und Richard Derrfuß standen zusammen und flüsterten. „Edz hadsn derbresld, den Schmarodzer.“ „Der Herrgodd waß doch nu, was Gerechdichkeid is.“ „Ja, ja, su genga die Gäng!“ Immer wieder wuselten in Schutzanzüge gehüllte Ärzte zwischen den Menschen in der Turmhalle herum, nahmen Blut oder stellten Fragen. Draußen in der Aula war ein provisorisches Labor aufgebaut. Vor den Schuleingängen standen Polizisten und kontrollierten jeden, der in das Schulgebäude hinein wollte. Die Schulstraße, vor dem Gebäude, war quasi nicht mehr befahrbar. Rücksichtslos hatten die Medienvertreter die Straße in Beschlag genommen, führten Interviews mit einer Schar sogenannter Experten und hatten ihre kanonengroßen Teleobjektive auf das Schulgebäude gerichtet. Jede Person, jeder Schatten, der sich an einem der zahlreichen Fenster zeigte, wurde sofort abgelichtet. Das Fernsehteam des Bayerischen Rundfunks diskutierte gerade mit einer Nachbarin von gegenüber, ob sie ihnen erlaube, ihre Parabolantenne auf dem Hausdach zu befestigen. Wegen der besseren Kommunikation, wie sie sagten. „Dees kummd ieberhabd ned in Frooch, iech brauch kaa Kommunigadzion ieber den Menschnauflauf vor meiner Kichn ned. Schaud lieber, dasser widder verschwind vo unserer Schdraß, Bayerngrübbl! Schaud ner hie, wie die ausschaud! Lauder Schudd! Blasdigdiedn, Babier, Kabl und su a Haufn Leid, die do rumschdeh und gaffn. Kennd iehr Sefdl eiern Dregg wenigsdens widder selber aufrahma? Missd iehr dees alles erschd auf die Schdraß hieschmeißn? Wie bei die Hoddndoddn schauds aus. Schämd iehr eich ned, iehr Dreggbärn?“
    Die Isolierung von einhunderteinundfünfzig Menschen hatte noch weitreichendere Folgen. Der Röttenbacher Gemeinderat war nicht mehr beschlussfähig. Mehr als die Hälfte seiner Mitglieder und der Bürgermeister saßen in der Turnhalle fest.
    Das Landratsamt Erlangen-Höchstadt war führerlos. Landrat Eberhard Bierlinger, der rote Kormoran, diskutierte gerade im Innern der Halle mit Bürgermeister Ludwig Gast. In zwei Tagen begann die neue Karpfensaison. Für den Samstag hatte der rote Kormoran geplant, seinen ersten gebackenen Karpfen der neuen Saison zu verspeisen. Daraus würde wohl nichts werden. Fürchterlich!
    Die Fischküche Fuchs hatte geschlossen. Alle Bediensteten, einschließlich Chef und Chefin waren in die Turnhalle eingewiesen worden. „Sie hatten im Rahmen der kürzlich bei Ihnen stattgefundenen Geburtstagsfeier von Kunigunde Holzmann und Margarethe Bauer ebenfalls Kontakt mit dem Verstorbenen und den anderen Gästen“, erklärten ihnen die Vertreter der Gesundheitsbehörden. Die rechtzeitige Eröffnung der neuen Karpfensaison konnten sie vergessen. Wer kam für die wirtschaftlichen Einbußen auf?
    Die Röttenbacher Blasmusik konnte ihren für morgen geplanten Auftritt zum Einläuten der Karpfensaison 2012/2013 in Röhrach ebenfalls geistig abhaken. „Erst müssen die Ergebnisse der Untersuchung vorliegen“, erfuhren sie. „Vor morgen ist da gar nicht daran zu denken.“
    Die meisten der anderen Isolierten nahmen den Aufenthalt in der Turnhalle allerdings relativ gelassen. Es war eine neue Erfahrung, mitten im Zentrum eines allseits beachteten Ereignisses zu stehen. Vielleicht wurden sie ja später, wenn sie wieder raus durften, vor die Mikrofone der internationalen Presse gebeten? Vielleicht kamen sie gar ins Fernsehen? Jupp Hochleitner feilte in seinen Gedanken bereits an den Inhalten eines möglichen Interviews. Er würde sich selbstverständlich um eine gepflegte hochdeutsche Aussprache bemühen. In Gedanken übte er bereits. „Es war eine furchdboare Zeit, kann ich Iehna … Ihnen … sogn … sagen. Die vieln Menschen. Die Banik, … der gefährliche Erreger middn unter uns. Todesängsde! Die troggene, verbrauchte Luft hat mier … mir … am ärgdsn … schlimmsten zugesetzt.

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