ZECKENALARM IM KARPFENLAND
seine leiblichen Eltern waren. Dies erfuhr mein Ex-Mann aus dem Testament, welches sie ihm hinterlassen hatten. Darin baten sie ihn posthum um Verständnis, dass sie ihn nie darüber aufgeklärt hatten, und appellierten an ihn, nicht nach seiner Mutter zu suchen, die ihn mit siebzehn Jahren als uneheliches Kind geboren und weggegeben hat. Da war er gerade sechs Monate alt, schrieben sie. Sie können sich vorstellen, was für eine Welt damals für meinen Ex-Mann zusammenbrach. Er überlegte sich lange, ob er nach seiner leiblichen Mutter suchen sollte, verwarf aber den Gedanken daran dann doch. Kuno war schon immer ehrgeizig. Er wollte es allein schaffen. Er brach sein Studium ab und trat bei Siemens eine Lehre als Industriekaufmann an. Er musste Geld verdienen. Seine Adoptiveltern hinterließen ihm zwar dieses Häuschen, aber viel Bares war nicht verfügbar. Wenig später lernten wir uns kennen und träumten von einer gemeinsamen, glücklichen Zukunft. Dass es so nicht kam, ist Ihnen bekannt. Ich hoffe aber, Sie haben Verständnis, wenn ich Ihnen über diese Zeit ungerne berichten möchte.“
„Dees verschdehn mier, Frau Seitz, und dees is a goar ned nodwendich.“ Kunni führte wieder das Wort. „Soogn Sie amol, hamm Sie den Behördn aa erzähld, dass Iehr Ex-Mo adobdierd worn is?“
„Nein“, stellte Lisa Seitz bestimmt fest, „da war einmal ein Kommissar Fuchs bei mir, mit einer ziemlich gut aussehenden Assistentin, der hat aber ganz andere Fragen gestellt.“
„Debb!“, entfuhr es Kunigunde Holzmann. „Frau Seitz, mier wolln Sie goar ned länger beläsdign. Sie ham uns wergli weidergholfn. Mier bedangn uns fier dees Geschbräch, und iehr Kaffee had aa gud gschmeggd, wergli. Aans mussi aa nu soogn: Saubere Kinner hams, und su gud erzogn!“
Auf dem Weg zur Haustüre fiel Kunni Holzmann doch noch eine Frage ein. „Soogns amol Frau Seitz, bei Iehrer standesamdlichn Hochzeit damals, do had doch iehr Mo beschdimmd a Abschdammungsurkundn vorlegn missn. Normalerweise schdehn doch do die leiblichn Eldern drinn?“
„Richtig, hätten wir gebraucht, hatten wir aber nicht. Die Adoptiveltern meines Ex-Mannes hinterließen zwar ein Familienstammbuch, aber eben ohne die besagte Urkunde. Um den ganzen deutschen Bürokratismus-rummel zu umgehen, hatten wir seinerzeit beschlossen, in Dänemark zu heiraten.“
„An welchn Dooch isn Iehr Mo eigendlich geborn?“
„Am 25. Juni 1974.“
Röttenbach, Donnerstag, 6. September 2012
Unmittelbar nach dem Besuch bei Lisa Seitz waren sich die drei Freizeitdetektive einig: Sie mussten herausfinden, wessen Kind Kuno Seitz wirklich war. Dirk Loos als einziger Motorisierter meldete sich freiwillig, um sich im deutschen Adoptionsrecht kundig zu machen. Am Tag zuvor besuchte er diverse Behörden, darunter das Vormundschaftsgericht und das Amt für Kinder, Jugend und Familie. Heute um achtzehn Uhr hatten sie vereinbart, sich bei der Kunni zu einer gemeinsamen, fränkischen Brotzeit zu treffen und sich gegenseitig über die neuesten Erkenntnisse zu informieren.
Dirk Loos öffnete eine gut gekühlte Flasche Storchenbier von der örtlichen Brauerei Sauer, legte sich eine dicke Scheibe roten Presssack auf sein Holzbrett, nahm sich vom mittelscharfen Senf, griff in den Brotkorb, um sich den Anschnitt vom frischen Bauernbrot zu sichern, und angelte sich mit seiner Gabel eine Essiggurke aus dem offenen Gurkenglas.
„Willsd nu an Meerreddichsenfd vom Fuchs dazu?“, fragte die Retta besorgt, „schmeggd gud und bassd aa zum Bressagg. Wie woars denn bei die Ämder?“
„Edz lass den Dirk erschd amol vo sein Bier dringn, und den Bressagg brobiern, dann werder uns scho nu erzähln was er rausgfunna had. Gell, Dirk?“
Mit diesen Worten nahm sich Kunni Holzmann selbst die größte und dickste Scheibe Brot „Hhm, wie dees riechd, und su a knusbriche Rindn“, und häufte sich einen großen Löffel Bratwurstgehäck auf ihr Holzbrett.
Retta war auf den Bericht ihres Untermieters gespannt wie ein englischer Langbogen kurz vor dem Abschuss des Pfeils. Aber als sie sah, wie die beiden anderen ordentlich zugriffen, konnte sie sich auch nicht mehr zurückhalten. Sie nahm den extra großen Löffel, der auf dem Tisch lag, und stieß damit wie ein in eine Hühnerschar herabstürzender Habicht in die Schüssel mit dem fränkischen Wurstsalat. Die Stadtwurst mit Knoblauch, Zwiebeln, Emmentaler und dem Essig-Öl-Salz-Pfeffer-Zucker-Paprikaedelsüß-Gemisch roch zu verführerisch. Der Bericht von
Weitere Kostenlose Bücher