Zehn Dinge, die wir lieber nicht getan haetten
im Esszimmer, die lila Tischdecke, die ausladende blaue Wildledercouch, den Flokatiteppich, die vielen Lampen und Kerzen und all das Zeug, das nicht mir gehörte. Das Wasser draußen vor den Fenstern und die Lichter auf der anderen Seite. »Verrückt.«
»Das ist es.« Ich war mir sicher, dass es für ihn total seltsam war, mich in dieser neuen Umgebung zu sehen, in diesem neuen Zuhause. Schon komisch, dass ich jetzt hier war. Seltsam war aber auch, dass er mich nicht angerufen hatte, nachdem er gelandet war. Warum war er nicht direkt hierhergekommen? Warum wich er meinem Blick aus?
Vielleicht bildete ich mir das alles nur ein. Vielleicht lag es nur daran, dass alle uns anstarrten. Vielleicht lag es daran, dass Corinne uns zusah.
»Komm, setz dich zu uns«, sagte ich und mischte mich mit ihm unter die anderen Partygäste.
ICH HABE NOCH NIE
»Ich bin dran«, meinte Vi. »Ich hab noch nie ein Mädchen geküsst.«
Daraufhin nahmen alle vier Jungs – Noah, RJ, Dean und Hudson – sowie Joanna einen großen Schluck. Aber das war ja auch keine Überraschung.
Dean legte den Arm um Vi. »Wenn der Rest der Damen das jetzt gerne ausprobieren möchte, lasst euch nicht aufhalten.«
Vi boxte ihn in den Arm. »Klar, das machen wir bestimmt, knutschen miteinander rum, damit du was Schönes zu sehen kriegst.« Die beiden teilten sich einen Klubsessel.
»Exzellent«, meinte Dean, und sein lautes Lachen schallte durch den Raum. Dean und Vi waren schon seit dem ersten Jahr an der Highschool beste Freunde. Jetzt ruhte Deans Hand auf Vis Hüfte. Irgendwie schien er ständig irgendjemanden oder etwas zu begrabschen. Einen Ball, ein Kissen, die Hüfte eines Mädchens.
Ich saß zwischen Marissa und Noah auf dem Sofa, und Joanna saß neben Noah auf der anderen Seite.
Joanna war Senior an der Andersen. Sie trug eine Vintage-Jeans und eine Spitzenbluse, die sie eindeutig in einem echten Secondhandladen gekauft hatte und nicht bei Urban Outfitters, wie alle anderen das taten. Nächstes Jahr wollte sie mit dem Rucksack durch Australien reisen, statt gleich aufs College zu gehen. Sie war außerdem die einzige Lesbe, die ich kannte, die schon ihr Coming-out hatte, und vermutlich überhaupt die einzige homosexuelle Person, die ich kannte, Punkt. Letztes Jahr hatte sie ihre (jetzt Ex-) Freundin von Stamford
mit zum Junior-Promball gebracht. Joanna wohnte ein paar Blocks von Vi entfernt, ebenfalls auf Mississauga Island, aber eher am anderen Ende, in der Nähe des Yachtklubs.
»Ich bin dran«, meinte Dean. »Ich hatte noch nie Sex.« Dann trank er einen Schluck. Dean war der Erste seines Jahrgangs gewesen, der seine Jungfräulichkeit verloren hatte, in der achten Klasse mit einer von der Highschool. Das hatte ihn zu einer Art Legende gemacht. Er war schon immer recht süß gewesen – hatte kurzes, strubbeliges braunes Haar, runde Wangen und ein einnehmendes Lächeln. Aber es lag nicht an seinem Aussehen, dass die Mädchen auf ihn standen – er war vor allen Dingen witzig.
»Also jetzt aber«, meinte Vi, »du kannst doch nicht etwas sagen, was du getan hast, und dann einfach trinken.«
Dean schluckte. »Warum denn nicht?«
»So lauten nun mal die Regeln.«
»Deine Regeln«, meinte er.
»Die Regeln in diesen vier Wänden«, entgegnete sie.
»Darf ich jetzt trinken oder nicht?«, wollte RJ wissen und hob sein Glas.
»Hängt ganz davon ab, ob du schon Sex hattest oder nicht«, erklärte Vi.
Er trank nicht. Genauso wenig wie Corinne, die auf der anderen Seite des Zimmers saß, sich mit den bleichen Fingern durch das rote Haar fuhr und beobachtete, wie wir alle nicht tranken.
Joanna, Hudson und Vi nahmen jeweils einen Schluck.
Sonst fasste keiner sein Glas an. Da lag eine deutliche Kluft hier zwischen Juniors und Seniors, meinen Freunden und Vis Freunden.
Ich hatte keine Ahnung, mit wem Joanna und Hudson es getan hatten, doch ich wusste, dass Vi ihre Jungfräulichkeit an Frank, einen scharfen Collegetypen, verloren hatte, der mit ihrer Mom in einem Stück gespielt hatte.
Ich hatte eigentlich gehofft, ich könnte am Zustand meiner Jungfräulichkeit noch in derselben Nacht etwas ändern. Irgendwie ging ich davon aus, dass das der Plan war.
Aber ... scheinbar deckten sich Noahs Pläne nicht so ganz mit den meinen.
ZWANZIG MINUTEN ZUVOR
»Okay, alle mal herhören, es wird langsam Zeit, dass wir ›Ich habe noch nie‹ spielen!«, hatte Vi gerufen und angefangen, Gläser zu verteilen.
»Ich muss noch fahren«, meinte Noah
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