Zehn Dinge, die wir lieber nicht getan haetten
Luft.«
»Du hättest mich anrufen sollen!«, sagte ich. »Dann hätte ich dich abgeholt.«
»Ich weiß, aber ... ich hab nicht drüber nachgedacht. Ich hab einfach meine Sachen gepackt und bin abgehauen.« Sie warf sich den Beutel über den Arm. »Der ist nicht schwer. War in erster Linie nur Show.«
»Wissen deine Eltern denn, dass du hier bist?«, fragte ich.
»Nicht wirklich«, gab Marissa zu.
»Aber sie haben gesehen, wie du gegangen bist?«, fragte Vi.
»Meine Schwestern haben es mitgekriegt. Wenn meine Mutter heimkommt, wird sie es schon erfahren.«
Das würde nicht gut gehen. »Du bist also im Grunde genommen von zu Hause abgehauen?«
»Nicht so richtig abgehauen«, meinte Marissa. »Ich bin ja hier.«
»Marissa«, sagte ich kopfschüttelnd. »Deine Eltern werden ausrasten.«
»Gut so«, meinte sie mit leuchtenden Augen. »Sollen sie doch! Zumindest haben sie jetzt Grund dazu.«
Marissas Handy klingelte, und sie sah nach, wer es war. »Das sind sie. Ich geh nicht ran.«
»Du musst ihnen doch sagen, wo du steckst«, meinte ich zu ihr. Das hatte uns gerade noch gefehlt. Ein riesiges Polizeiaufgebot, das irgendwann bei uns vor der Tür stehen würde. Vor einem Haus, in dem zwei Minderjährige illegal allein zusammen wohnten.
Sie dachte nach. »Mir bleiben doch wenigstens ein paar
Stunden Zeit, bevor sie die Polizei rufen. Muss man denn nicht vierundzwanzig Stunden warten, bis man das tut?« Sie sah Vi an.
»Hm, bin mir nicht sicher«, entgegnete Vi. »Aber du hast recht. Ich glaube auch nicht, dass deine Eltern jetzt schon die Polizei rufen. Es ist ja erst fünf Uhr nachmittags. Die warten sicher bis acht oder neun.«
Ich seufzte. »Rufst du sie dann nach dem Essen an?«
»Vielleicht. Aber ich geh erst wieder heim, wenn sie es sich anders überlegt haben.«
»Bleib, so lange du möchtest«, meinte Vi. »Du kannst im Zimmer meiner Mom wohnen.«
»Braucht sie es denn nicht?«
»Ich glaube nicht, dass sie so schnell ein freies Wochenende hat.« Vi zuckte mit der Schulter. Ich war mir nicht sicher, ob das stimmte.
Wieder klingelte Marissas Handy. »Sie sind’s.«
»Die werden jetzt alle zwei Minuten anrufen, bis du rangehst«, meinte ich.
Daraufhin stellte sie ihr Handy aus.
GUTE MÜTTER DENKEN ÄHNLICH
Dana rief mich um sieben an. Ich war gerade unten und wechselte vor dem Abendessen in eine Jogginghose. Vi bereitete gerade irgendwas in der Pfanne zu, während Marissa ihr Gesellschaft leistete.
»April, ist sie bei euch? Sie muss doch bei euch sein.« Marissas Mom klang ziemlich panisch.
Einerseits wollte ich, dass Marissa blieb, aber ich wollte auch nicht, dass Dana sich unnötig Sorgen machte. Vergesst Dr. Rosini, die Frauenärztin. Wenn ich eine neue Mom adoptieren könnte, würde ich mir Dana aussuchen. »Ihr geht’s gut«, sagte ich mit sanfter Stimme. »Sie ist hier.«
»Ach, Gott sei Dank«, sagte sie. Sie klang genau wie ich, als die Tierärztin mir mitgeteilt hatte, dass Donut wieder gesund werden würde. »Kannst du sie ans Telefon holen?«
»Sie ist ziemlich sauer«, meinte ich. Ich setzte mich auf den Rand meines Futonbetts.
»Ich weiß. Aber ich muss doch sehen, dass ich die Entscheidung treffe, die am besten ist für sie, auch wenn sie das wütend macht. Ich bin ihre Mutter. Das ist meine Aufgabe.«
Ich fragte mich, was meine Mom für ihre Aufgabe hielt.
»Hat sie eine Tasche mitgebracht?«, erkundigte sich Dana.
»Ja, hat sie.«
Sie seufzte. »Ich komm rüber und hol sie ab.«
»Warten Sie. Vielleicht sollten Sie sie ein oder zwei Nächte hierbleiben lassen. Sie kommt schon wieder zur Vernunft und beruhigt sich. Sie wird ihr Zuhause vermissen.«
»Ich weiß nicht ... Wenn Vis Mom einverstanden ist ...«
»Bestimmt«, gab ich zurück.
»Ist sie zu Hause? Lass mich doch kurz mit ihr reden.«
»Oh ... äh ... bin mir nicht sicher ... ich guck mal nach und bitte sie, dass sie Sie gleich zurückruft.«
Oben reichte ich Vi mein Handy. »Suzanne, würde es Ihnen was ausmachen, Marissas Mom zurückzurufen und ihr mitzuteilen, dass Marissa so lange hierbleiben kann, wie sie möchte?«
»Gute Idee!«, meinte Marissa.
Vi nahm das Telefon und ging ins Nebenzimmer. »Hallo«, begann sie mit tiefer, mütterlicher Stimme. »Hier ist Suzanne, Vis Mutter ... Nein, überhaupt kein Problem, es ist mir eine Freude ... ich weiß, ich weiß ... Es ist das Beste für sie, sich erstmal abzureagieren, und das in einer sicheren Umgebung ... Sie kann doch heute Nacht
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